(Anmerkung zu Fromm in ZErb 10/2020)
Rüdiger Fromm setzt sich in der Zeitschrift für die Steuer- und Erbrechtspraxis (ZErb 10/2020) mit Fragen um die Folgen der Ausschlagung eines belasteten Erbteils auseinander. Zumindest auf den ersten Blick muten die Ergebnisse überraschend an.
Untersucht wird folgender Fall: Erblasser E ist unverheiratet. Zu seinen Erben beruft er seine Lebensgefährtin L und seine beiden Kinder K1 und K2 zu je 1/3. L und K1 haben keine Kinder, K2 hat ein Kind. Der Erblasser ordnet außerdem ein Vermächtnis zugunsten seines Freundes F an. Mit seinem dritten Kind, dem K3, hatte der Erblasser einen Erb- und Pflichtteilsverzicht vereinbart und dafür eine Zahlung geleistet. K3 hat auch ein Kind.
Nach dem Tode des E soll das Testament zur Anwendung kommen. L und K2 wollen aber nicht mit dem Vermächtnis belastet sein und schlagen jeweils das Erbe aus. Es ergeben sich die folgenden erbrechtlichen Konsequenzen:
- Die Lebensgefährtin war nicht mit dem Erblasser verheiratet. Sie kann zwar ausschlagen. Der Anwendungsbereich der Norm des § 2306 BGB ist aber nicht eröffnet: sie erhält also nichts.
- Da der Erblasser Ersatzerbschaft nicht angeordnet hat, wächst der Erbteil der L den Kindern K1 und K2 an (§ 2094 Abs. 1 BGB). Beide halten nun einen ½-Anteil am Nachlass. Die Erbteile sind aber mit dem Vermächtnis belastet.
- Wenn nun K2 ausschlägt, erhält er als Pflichtteilsberechtigter gem. § 2306 BGB einen Pflichtteil. Das Kind des K2 wird in dessen ½-Anteil am Nachlass eintreten. Allerdings muss das Kind dann alleine auf den Pflichtteil seines Vaters K2 zahlen. Nach dem Willen des Gesetzgebers soll im Innenverhältnis die Pflichtteilslast bis zur Höhe des erlangten Vorteils derjenige tragen, der anstelle des Pflichtteilsberechtigten gesetzlicher Erbe wird.
- Nun will aber auch das Kind des K“ nicht mit dem Vermächtnis belastet sein und schlägt ebenfalls aus, könnte es als Pflichtteilsberechtigter nach seinem Großvater ebenfalls einen Pflichtteilsanspruch gem. § 2306 BGB erwerben. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs soll es aber durch Pflichtteilszahlung und Ersatzerbenberufung nicht zu einer Doppelbegünstigung des Stammes des Ausschlagenden kommen. K2 enthält genauso wie sein Kind infolge der Ausschlagung keinen Erbteil.
- Aufgrund des Erb- und Pflichtteilsverzichts des K3 werden dieser und sein Kind nicht zu Miterben. Zu erwägen wäre, ob dem Kind des K3 ein Pflichtteilsrecht entstanden ist. Fromm vertritt dazu die Meinung, dass ein Pflichtteilsverzicht regelmäßig nicht im Interesse des nächstfolgenden Pflichtteilsberechtigten geschlossen würde, sondern zugunsten der übrigen Erben wirken solle.
Tatsächlich wird in der Literatur vertreten, dass im Falle des Verzichts des näher Berechtigte die entfernter Berechtigten nach § 2309 BGB ausgeschlossen seien. Der Pflichtteilsverzichtende, der zur Zeit des Erbfalls noch lebe, stehe einem Pflichtteilsberechtigten gleich, der seinen Pflichtteil nicht geltend mache (MüKoBGB/Lange, 8. Aufl., § 2309 Rn. 15). Eine Mindermeinung vertritt aber, dass im Falle der konkreten Enterbung des entfernteren Pflichtteilsberechtigten dieser einen Pflichtteilsanspruch erwerben soll.
Nach herrschender Meinung ist das Kind K1 vorliegend zum alleinigen Erben geworden.