(Beitrag zum Urteil des BGH v. 30.01.2018, X ZR 119/15)
In der Praxis erbrechtlicher Beratung trifft man relativ häufig auf Fallkonstellationen, in denen der spätere Erblasser zu Lebzeiten eine Person, die nicht oder nicht alleine sein Erbe werden soll, zur Bezugsberechtigten des Auszahlungsanspruchs gegen seine Lebensversicherungsgesellschaft bestimmt hat. Die begünstigte Person weiß davon in der Regel nichts. Damit die begünstigte Person die Versicherungsleistung auch behalten darf, muss ein Schenkungsvertrag (hier: Verfügung unter Lebenden zu Gunsten Dritter auf den Todesfall) zu Stande gekommen sein. Dies ist nach den Regeln unseres Zivilrechts auch noch möglich, wenn der Erblasser bereits verstorben ist. In diesem Fall überbringt die Versicherungsgesellschaft als Bote das Schenkungsangebot des Erblassers. Die Erben können aber auch den Widerruf des noch auf dem Weg befindlichen Schenkungsangebots gegenüber der begünstigten Person erklären. Es kann für die Erben ein Wettlauf mit der Zeit entstehen.
Ein ähnliches Problem hatte der Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorliegen. Die spätere Erblasserin hatte im Jahr 1976 mit ihrer Hausbank vereinbart, dass nach ihrem Tod das Eigentum an den in ihrem Depot verwahrten Wertpapieren auf einen begünstigten Freund zu übertragen sei. Die Erblasserin hatte sich eine jederzeitige einseitige Lösung von dieser Vereinbarung vorbehalten. Die Vereinbarung wurde dem Begünstigten zu Lebzeiten der Erblasserin nicht mitgeteilt. Im April 2007 errichtete die Erblasserin ein Testament und wendete ihr gesamtes bei ihrer Hausbank angelegtes Kapitalvermögen ihren Erben zu. Der zu Lebzeiten Begünstigte wurde in dem Testament nicht erwähnt. Zu Beginn des Jahres 2009 verstarb die Erblasserin. Der Begünstigte erlangte Kenntnis von dem Testament im Mai 2009.
Die Hausbank benachrichtigte im Mai 2011 den Begünstigten von der Vereinbarung im Jahr 1976 und übertrug anschließend den Inhalt des Wertpapierdepots auf diesen. Im Juli 2011 widerriefen die Erben die Verfügung der Erblasserin aus dem Jahr 1976 und es entstand Streit darüber, ob der Begünstigte den Inhalt des Wertpapierdepots behalten darf.
Der Begünstigte hatte die noch vorhandenen Wertpapiere an die Erben herauszugeben und bezüglich bereits veräußerter Wertpapiere deren Wert i.H.v. 270.000,- Euro zu erstatten. Der Bundesgerichtshof nimmt an, dass der zum Behalten der Wertpapiere erforderliche Schenkungsvertrag zwischen der Erblasserin und dem Begünstigten nicht zu Stande gekommen sei. Nach den Vereinbarungen aus dem Jahr 1976 sollte das Schenkungsangebot der Erblasserin von deren Hausbank als Botin dem Begünstigten übermittelt werden; dieser sollte das Schenkungsangebot stillschweigend annehmen können. Das Zivilrecht geht in § 130 Abs. 2 BGB davon aus, dass eine wirksame Schenkung auch noch nach dem Tode des Schenkers zu Stande kommen kann. Hier lag aber bei Benachrichtigung der Hausbank an den Begünstigten im Mai 2011 ein wirksames Schenkungsangebot nicht mehr vor. Denn das Schenkungsangebot könne auch durch Testament widerrufen werden. Diesbezüglich ist das Rechtsverhältnis zwischen Erblasserin und Hausbank nicht von Relevanz. Bei der Zuwendung ihres gesamten Wertpapierdepots durch Testament handelt es sich nach der Auffassung des Bundesgerichtshofs um eine Regelung, die nach dem Willen der Erblasserin auch Rechtswirkungen entfalten sollte. Mit dieser Regelung habe die Erblasserin ihre Erklärung aus dem Jahr 1976 wirksam widerrufen. Dieser Widerruf sei dem Begünstigten auch zugegangen, da er im Mai 2009 von dem Inhalt des Testaments der Erblasserin Kenntnis erlangt hat. Schließlich dürfte die Erblasserin damit rechnen, dass der Begünstigte (wenn auch auf Umwegen) von ihrer testamentarischen Verfügung Kenntnis erlangt.
Die Entscheidung mag ungerecht anmuten. Sie ist aber unter konsequenter Anwendung der Regeln des Allgemeinen Schuldrechts zu Stande gekommen. Dadurch ist das Urteil logisch nachvollziehbar und gibt Rechtssicherheit für ähnlich gelagerte Fälle.