Jobcenter muss im Einzelfall bei drohendem Arbeitsplatzverlust Darlehen für bereits gekauften Pkw gewähren

LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss v. 13.05.2015 - L 11 AS 676/15 B ER
Tenor:
Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin vorläufig bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache im Rahmen einer freien Förderung nach § 16f SGB II ein Darlehen in Höhe von 2.000 Euro zur Bezahlung des bereits gekauften Pkw zu bewilligen. (Tenor teilweise)

Gründe:
Die Antragstellerin begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Gewährung eines Darlehens, um damit einen von ihr gekauften Pkw zu bezahlen.

Die Antragstellerin und ihre minderjährigen Kinder wohnen in G. und beziehen seit Längerem Grundsicherungsleistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Nach Angaben der Antragstellerin ist eines ihrer Kinder auf einen Rollstuhl angewiesen, ein anderes erlitt im vergangenen Jahr einen Schlaganfall und hat Herzrhythmusstörungen. Zuletzt wurden ihr und dreien der vier Kinder als sog. Aufstocker mit Bescheid vom 1. April 2015 Grundsicherungsleistungen vorläufig bewilligt.

Im Januar 2015 schloss die Antragstellerin einen Arbeitsvertrag mit der H. GmbH über eine Tätigkeit als Pflegehelferin im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung ab.

Am Sonntag, dem 1. März 2015 übersandte die Antragstellerin dem Antragsgegner eine E-Mail, in welcher sie mitteilte, dass ihr Auto am Vortag endgültig liegengeblieben sei. Eine Reparatur würde sich auf etwa 1.000,- Euro belaufen und einige Zeit dauern, da Ersatzteile nicht vorrätig seien. Sie frage an, ob der Antragsgegner ihr helfen könne, die drohende Arbeitslosigkeit zu vermeiden. In einer Gesprächsnotiz einer Mitarbeiterin des Antragsgegners vom Folgetag, dem 2. März 2015, ist festgehalten, dass die Antragstellerin an diesem Tag telefonisch ein Darlehen für einen Pkw nach § 16f SGB II beantragt habe (Bl. 1063 Verwaltungsakte - VA). Der Antragstellerin seien die Konditionen für eine Darlehensgewährung erläutert worden. Die Kundin wolle den ausgefertigten Antrag abholen. Einer weiteren Gesprächsnotiz vom gleichen Tage zufolge (Bl. 1065 VA) hat die Antragstellerin am 2. März dann mitgeteilt, dass der Pkw nicht auf sie, sondern wegen der Schwerbehinderten-Förderung und der günstigeren Kfz-Versicherung wieder auf ihren 16-jährigen Sohn zugelassen werden solle. Eine Bewilligung des Darlehens sei ihr, so der Vermerk, nicht zugesagt worden, sondern lediglich die Prüfung nach Eingang der vollständigen Unterlagen.

Am selben Tag kaufte die Antragstellerin bei der Firma I. Automobile einen Pkw. Wie sich aus der in der Verwaltungsakte enthaltenen Kopie des Fahrzeugbriefs ergibt, wurde am gleichen Tage auch die Zulassung des erworbenen Pkw auf den Namen des schwerbehinderten Sohnes der Antragstellerin im Fahrzeugbrief vorgenommen (Bl. 999 VA).

Nachdem das ausgefüllte Antragsformular auf die Gewährung des Darlehens, Kostenvoranschläge über andere Pkw und weitere Unterlagen am 5. März 2015 beim Antragsgegner ein-gegangen waren, lehnte dieser die Darlehensgewährung mit Bescheid vom 6. März 2015 ab. Die Kaufpreise sämtlicher drei Kostenvoranschläge lägen über 2.000 Euro, denn der Resterlös für das alte Auto habe 400,- Euro betragen und hätte in die Kaufpreisbetrachtung mit einbezogen werden müssen. Außerdem habe die Kaufpreissumme schon vorgelegen, da das Fahrzeug bereits auf den Sohn der Antragstellerin zugelassen worden sei. Das Fahrzeug sei auch nicht marktpreisgerecht. Aus Gründen der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit könne daher kein Darlehen gewährt werden.

Den Widerspruch der Antragstellerin wies der Antragsgegner mit Widerspruchsbescheid vom 31. März 2015 zurück.

Dagegen hat die Antragstellerin mit Schreiben vom 10. April 2015 unter dem Aktenzeichen J. Klage beim Sozialgericht (SG) Hannover erhoben. Sie hat außerdem mit Schreiben vom selben Tage Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt und diesen damit begründet, dass der Autohändler den Pkw zwischenzeitlich zurückfordere. Aufgrund der Aussagen der Mitarbeiter des Antragsgegners sei die Antragstellerin davon ausgegangen, dass sie die Förderung erhalten werde. Dies habe sie dem Autohändler erzählt. Er und auch sie seien davon ausgegangen, dass kurzfristig eine Zahlung durch den Antragsgegner erfolgen werde. Die Darlehensgewährung sei der einzige Weg, um die Erwerbstätigkeit aufrechtzuerhalten. Sie werde an wechselnden Arbeitsorten eingesetzt und könne nicht auf öffentliche Verkehrsmittel zurückgreifen. Sie habe auch nicht lange mit dem Erwerb eines Fahrzeugs warten können. Aufgrund ihrer persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sei sie nicht in der Lage, die Mittel selbst aufzubringen. Kein Autohändler würde ihr ein Auto auf Ratenzahlungsbasis verkaufen. Sie habe die Äußerungen des Antragsgegners so verstanden, dass sie mit einem Darlehensbetrag in Höhe von 2.000 Euro rechnen könne, ohne dass der Wert des Altfahrzeuges zu berücksichtigen sei.

Die Richtigkeit dieser Angaben hat die Antragstellerin an Eides statt versichert.

Sie hat außerdem ein Schreiben des Autohändlers vom 9. April 2015 vorgelegt, in welchem dieser die Zahlung anmahnt und darauf hinweist, dass er auf die Angaben der Antragstellerin vertraut habe, wonach das Jobcenter die Zahlung übernehmen werde.

Mit Beschluss vom 24. April 2015, der dem Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin am 27. April 2015 zugestellt wurde, hat das SG den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Es bestünden bereits Zweifel am Vorliegen eines Anordnungsgrundes, da die Antragstellerin und ihre Kinder Grundsicherungsleistungen erhielten und daher zweifelhaft sei, ob durch die Ablehnung der Darlehensgewährung eine gegenwärtige Notlage geschaffen werde. Letztlich könne dies aber dahinstehen, da kein Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht worden sei. Einen Anspruch auf Darlehensgewährung auf der Grundlage des – allein in Betracht kommenden - § 16f SGB II hätte die Antragstellerin, so das SG, nur bei einer Ermessensreduzierung auf Null. Diese liege aber nicht vor, da die Antragstellerin den Weg zur Arbeitsstätte mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurücklegen könne. Es könne dahinstehen, ob bereits der Umstand, dass der Antrag erst am 5. März 2015 und damit drei Tage nach dem Kauf des Kfz beim Antragsgegner eingegangen sei, grundsätzlich einen Anspruch entfallen lasse.

Gegen diesen Beschluss wendet sich die Antragstellerin mit ihrer am 30. April 2015 eingelegten Beschwerde. ...

II.

Die Beschwerde ist – auch in Ansehung von § 172 Abs. 3 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) –zulässig, da im Hauptsacheverfahren die Berufung zulässig wäre. Der insoweit maßgebliche Beschwerdewert des § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG von mehr als 750 Euro ist erreicht. Zwar begehrt die Antragstellerin den Betrag von 2.000,- Euro nicht als Zuschuss, sondern lediglich als Darlehen, welches naturgemäß zurückzuzahlen ist. Daraus folgt aber keine Minderung des Beschwerdewertes auf 750,- Euro oder weniger. Entscheidend ist, dass die Antragstellerin den Betrag in Höhe von 2.000,- Euro nach ihrem Vorbringen benötigt, um damit - dauerhaft - das Kraftfahrzeug mit einem entsprechenden Wert zu erwerben. Daher bestehen keine Zweifel an der Zulässigkeit der Beschwerde.

Die Beschwerde ist auch begründet.

Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Die Voraussetzungen dafür, d. h. der Anordnungsanspruch – die Rechtsposition, deren Durchsetzung im Hauptsacheverfahren beabsichtigt ist – sowie der Anordnungsgrund – die Eilbedürftigkeit der begehrten vorläufigen Regelung – sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG, § 920 Abs. 3 Zivilprozess-ordnung – ZPO -). Steht dem Antragsteller ein von ihm geltend gemachter Anspruch voraussichtlich zu und ist ihm nicht zuzumuten, den Ausgang des Verfahrens abzuwarten, hat er Anspruch auf die beantragte Leistung im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes. Zwar sind im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung grundsätzlich die Erfolgsaussichten in der Hauptsache zu prüfen. Ist aber im Eilverfahren eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage nicht möglich, so ist eine Entscheidung auf der Grundlage einer Folgenabwägung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Belange des Antragstellers einerseits und der öffentlichen Belange des Antragsgegners andererseits vorzunehmen (vgl. Bundesverfassungsgericht – BVerfG – Beschluss vom 12. Mai 2005 – 1 BvR 569/05 – NVwZ 2005, S. 927ff.).

Die Anwendung dieser Grundsätze ergibt, dass der Antragsgegner vorläufig bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache zu der begehrten Darlehensgewährung zu verpflichten ist. Insbesondere liegt ein streitiges Rechtsverhältnis vor, da die Antragstellerin gegen den Widerspruchsbescheid vom 31. März 2015 Klage erhoben hat.

Im Hinblick auf den Anordnungsanspruch ergibt sich bei der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gebotenen und ausreichenden summarischen Prüfung, dass ein solcher Anspruch gegeben sein dürfte. Jedenfalls erweist sich die Ablehnung der Darlehensgewährung als rechtswidrig. Als Anspruchsgrundlage für die Gewährung eines Darlehens zum Erwerb eines Pkw kommt § 16f Abs. 1 SGB II in Betracht. Demnach kann die Agentur für Arbeit die Möglichkeiten der gesetzlich geregelten Eingliederungsleistungen durch freie Leistungen zur Eingliederung in Arbeit erweitern, wobei die freien Leistungen den Zielen und Grundsätzen des SGB II entsprechen müssen. Leistungsträger nach dieser Vorschrift sind nicht nur die Bundesagentur für Arbeit, sondern auch die nach § 6a SGB II zugelassenen kommunalen Träger (Harks in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 4. Aufl. 2015, § 16f, Rn. 9), zu denen nach der Kommunalträger-Zulassungsverordnung vom 24. September 2004 auch der Antragsgegner gehört. Bei § 16f SGB II handelt es sich um eine eigenständige Anspruchsgrundlage, die als Generalklausel ausgestaltet ist (Stölting in: Eicher, SGB II, Grundsicherung für Arbeitsuchen-de, Kommentar, 3. Auflage 2013, § 16f Rn. 7). Sie ist auch dann anwendbar, wenn Leistungen präventiv erbracht werden, etwa zur Sicherstellung einer die Hilfebedürftigkeit verringernden selbständigen Tätigkeit (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 30. Juni 2010 – L 14 AS 933/10 B, zit. nach juris: Finanzierung eines Arbeitszimmers) oder zur Abwendung des Arbeitsplatzverlustes, sofern trotz der Erwerbstätigkeit weiter Hilfebedürftigkeit besteht (Stölting, a.a.O.), was gerade bei sog. Aufstockern wie der Antragstellerin der Fall ist (vgl. auch Grühn in: Gagel, SGB II/SGB III, Grundsicherung/Arbeitsförderung, § 16f Rn. 6 sowie Voelzke in: Hauck/Noftz, SGB II, Stand: 2015, K § 16f Rn. 15). Aufgabe und Ziel der Grundsicherung für Arbeitsuchende ist nämlich nach § 1 Abs. 2 Satz 4 Nr. 1 SGB II unter anderem, den Umfang der Hilfebedürftigkeit durch eine Erwerbstätigkeit zu verringern. Leistungen im Rahmen einer Einzelförderung können als Zuschuss, Darlehen oder als Kombination beider gewährt werden (vgl. die „Gemeinsame Erklärung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales und der für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Ministerien der Länder als auf-sichtsführende Stellen nach § 47 SGB II zu den Leistungen zur Eingliederung in Arbeit nach § 16 SGB II i.V.m. §§ 45, 46 und nach § 16f SGB II“, 3. Aktualisierte Fassung: Oktober 2012, S. 25). Hinsichtlich des möglichen Leistungsinhalts sind die nach § 16f SGB II denkbaren Leistungen allerdings an § 20 SGB II zu messen (Grühn, a. a. O., Rn. 9). Die vom Regelbedarf erfassten Leistungsinhalte können grundsätzlich nicht Gegenstand der sog. freien Leistungen sein (vgl. Grühn, a. a. O.).

Da der Erwerb eines Pkw nicht vom Regelbedarf abgedeckt ist, kommt insoweit grundsätzlich eine freie Förderung nach § 16f SGB II in Betracht (so auch ausdrücklich: Gemeinsame Erklärung des BMAS u.a., a.a.O., S. 44).

Voraussetzung für die Leistungsgewährung ist, da es sich um eine Eingliederungsleistung handelt, ferner die Einhaltung der in § 3 Abs. 1 Satz 1 SGB II normierten Grundsätze (Stölting, a.a.O.). Eine freie Leistung kann demnach nur dann erbracht werden, wenn sie zur Vermeidung oder Beseitigung, Verkürzung oder Verminderung der Hilfebedürftigkeit für die Eingliederung erforderlich ist. Dies hat die Antragstellerin im Hinblick auf die begehrte Darlehensgewährung für den Kauf eines Pkw glaubhaft gemacht. Sie hat an Eides statt versichert, dass sie nicht auf öffentliche Verkehrsmittel zurückgreifen kann. Diese Ausführungen sind - bei der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren vorzunehmenden summarischen Prüfung – nachvollziehbar. So ist unbestritten, dass die Antragstellerin schon bislang einen Pkw besaß, mit dem sie die Arbeitsstelle erreicht hat. Aus den von ihr vorgelegten Stundenzetteln (Bl. 88 bis 91 GA) ergibt sich, dass der morgendliche Arbeitsbeginn – auch an Sonntagen – um 6.00 Uhr oder 6.30 Uhr liegt. Bei Arbeitsbeginn um die Mittagszeit liegt das Arbeitsende um 20.30 Uhr. Bereits diese Uhrzeiten stellen üblicherweise in weniger großen Städten wie G. eine Herausforderung dar, wenn es um die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel geht. Hinzu kommt, dass die Antragstellerin an unterschiedlichen Arbeitsstellen zum Einsatz kommt. Die vorgelegten Stundenzettel für den Monat April belegen zwei verschiedene Arbeitsstätten. Die eingereichte Bestätigung des Arbeitgebers (Bl. 101 Gerichtsakte - GA) schildert die Rahmenbedingungen ihrer Tätigkeit derart, dass sie auch kurzfristig im Raum K. L., M., N., O., P. und Q. eingesetzt werden könne. Für die Einsätze sei Mobilität mit dem Pkw zwingend erforderlich. Die Schicht-zeiten seien mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht zu realisieren und der Wechsel erfolge innerhalb weniger Tage. Diese Angaben entsprechen der in § 1 Nr. 1 des Arbeitsvertrages enthaltenen Regelung, wonach die Antragstellerin bei Kunden der H. GmbH an verschiedenen Orten eingesetzt wird (Bl. 788 VA).

Gegen eine Darlehensgewährung zum Erwerb des Pkw spricht auch nicht der Umstand, dass das Fahrzeug bereits auf den Namen des Sohnes der Antragstellerin zugelassen wurde und sie das Fahrzeug faktisch bereits besitzt. Die Antragstellerin hat an Eides statt versichert, dass der Autohändler sich darauf eingelassen habe, den alten Pkw unter Anrechnung von 400,- Euro in Zahlung zu nehmen und im Übrigen auf eine kurzfristige Zahlung des Antragsgegners zu warten. Der Kaufvertrag vom 2. März 2015 (Bl. 69 GA) und das Schreiben des Verkäufers vom 9. April 2015 bestätigen diese Angaben. Soweit der Antragsgegner im Verwaltungsverfahren angedeutet hat, dass möglicherweise die volle Kaufpreissumme bereits beglichen worden sei, fehlen hierfür Anhaltspunkte. Die Antragstellerin und der Verkäufer müssten allerdings mit strafrechtlichen Konsequenzen rechnen, wenn sich dies im Hauptsacheverfahren bewahrheiten sollte.

Auch der kurze zeitliche Abstand zwischen Einholung von Kostenvoranschlägen und dem Erwerb des Pkw spricht nicht gegen die Glaubhaftigkeit der von der Antragstellerin gemachten Angaben. Hätte sie längere Zeit mit dem Erwerb eines Pkw gewartet, so hätte man ihr umgekehrt vorhalten können, dass dieser offensichtlich nicht dringend benötigt werde.

Gegen einen Anordnungsanspruch spricht schließlich auch nicht, dass die Antragstellerin den Pkw erworben hat, noch bevor sie den schriftlichen Antrag eingereicht und der Antragsgegner über diesen abschließend entschieden hatte. Eine Antragstellung hat der Antragsgegner selbst bereits im Anruf der Antragstellerin am 2. März 2015 gesehen, wie dem Vermerk auf Bl. 1063 der Verwaltungsakte zu entnehmen ist. Auch die in § 16f Abs. 2 Satz 1 vorgesehene Beschreibung des Leistungsziels durch den Leistungsträger ist ohne Weiteres noch nach Erwerb des Pkw und vor der Darlehensbewilligung möglich. Anders als der Antragsgegner in der Verwaltungsakte vermerkt hat (Bl. 1062), folgt aus dem bereits erfolgten Pkw-Erwerb kein grundsätzlicher Förderausschluss.

Auch der vom Antragsgegner angeführte und in § 3 Abs. 1 Satz 4 SGB II verankerte Grund-satz von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit spricht bei summarischer Betrachtung nicht gegen die Darlehensgewährung. Dass die Reparatur des alten Pkw unwirtschaftlich gewesen wäre, hat der Antragsgegner selbst anerkannt (vgl. Bl. 1001 VA). Die vom Antragsgegner benannte 2.000,--Euro-Grenze für den Neuerwerb findet keine direkte Stütze im Gesetz und die Einschätzung, dass der gekaufte Pkw nicht marktpreisgerecht sei, muss im Hauptsacheverfahren überprüft werden. Auch ein Pkw für 2.400,- Euro erscheint nicht von vornherein unwirtschaftlich.

Der Umstand, dass das Arbeitsverhältnis der Antragstellerin bis Ende Oktober 2015 befristet ist, spricht ebenfalls nicht gegen dessen Sicherung durch die Darlehensgewährung. Auch eine zeitlich begrenzte Verringerung der Hilfebedürftigkeit ist ein legitimes und anzustrebendes Ziel von Eingliederungsleistungen. Im Übrigen führen befristete Arbeitsverhältnisse nicht selten zu unbefristeten und damit zur dauerhaften Überwindung oder Verringerung der Hilfebedürftigkeit. Offensichtlich fordert auch der Antragsgegner selbst nach seiner Verwaltungspraxis für derartige Eingliederungsleistungen ein zum Zeitpunkt der Antragstellung noch für mindestens sechs weitere Monate laufendes Arbeitsverhältnis (Aktenvermerk Bl. 1063 VA).

Liegen somit die Voraussetzungen des § 16f SGB II nach summarischer Prüfung vor, so gewährt die Norm einen Anspruch auf eine Ermessensentscheidung des Leistungsträgers. Ein gebundener Anspruch auf die Gewährung eines Darlehens ließe sich nur bei einer Ermessensreduzierung auf Null begründen.

Bei summarischer Prüfung erweist sich die ablehnende Entscheidung des Antragsgegners als ermessensfehlerhaft. So ist nicht nachvollziehbar begründet worden, warum der Antragsgegner eine Begrenzung auf genau 2.000,- Euro vornimmt. Auch muss im Hauptsacheverfahren geprüft werden, ob der Antragsteller die individuelle Lebenssituation der Antragstellerin, ins-besondere ihre familiäre Situation im Rahmen seiner Ermessensentscheidung berücksichtigt hat, wie es § 3 Abs. 1 Nr. 2 SGB II vorsieht. Dagegen spricht, dass er dies im angefochtenen Bescheid nicht erwähnt hat. Im Aktenvermerk auf Bl. 1062 der Verwaltungsakte wird ausführt, dass die familiäre Situation der Antragstellerin höchst bedauerlich sei und es ihr hoch anzurechnen sei, dass sie trotz ihrer behinderten Kinder einer beruflichen Tätigkeit nachgehe. Nichtsdestoweniger habe kein Entscheidungsspielraum bestanden. Dies belegt, dass die familiäre und individuelle Situation der Antragstellerin gerade nicht in eine Abwägung einbezogen wurde und die im SGB II angelegte Individualisierung der Leistungserbringung (vgl. Greiser in: Eicher, SGB II, Grundsicherung für Arbeitsuchende, Kommentar, 3. Auflage 2013, § 3 Rn. 9) gerade nicht erfolgt ist.

Der Senat lässt offen, ob - wofür durchaus nicht unerhebliche Anhaltspunkte bestehen - eine Ermessensreduzierung auf Null vorliegt. Die Antragstellerin hat nämlich unter Berücksichtigung des ebenfalls glaubhaft gemachten Anordnungsgrundes zumindest aufgrund der im vorliegenden Fall gebotenen Folgenabwägung Anspruch auf Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung.

Die Eilbedürftigkeit und daraus folgend ein Anordnungsgrund ergeben sich aus dem Umstand, dass die Antragstellerin glaubhaft gemacht hat, dass sie für die Ausübung ihrer Berufstätigkeit auf einen Pkw angewiesen ist und ohne Pkw die reale Gefahr des alsbaldigen Arbeitsplatzverlustes besteht. Es erscheint auch glaubhaft, dass der Verkäufer tatsächlich den Pkw zurückfordern wird, wenn die Zahlung des Kaufpreises ausbleibt. Der Prozessbevollmächtigte hat nach eigenen Angaben mit dem Autoverkäufer telefoniert und dessen Zuwarten bis Anfang Mai erreicht. Daraus folgt, dass ein Abwarten auf eine Entscheidung im Hauptsacheverfahren nicht zumutbar ist. Der drohende Verlust des Arbeitsplatzes wäre durch eine erst im Hauptsacheverfahren ergehende Entscheidung nicht mehr rückgängig zu machen. Demgegenüber sind die Folgen für den Antragsgegner auch angesichts des Umstandes, dass er zur wirtschaftlichen und sparsamen Leistungserbringung angehalten ist, überschaubar. Er wird lediglich zur Darlehensgewährung verpflichtet und dürfte keinen endgültigen Verlust erleiden, zumal die Antragstellerin sich mit der Zahlung von Raten in Höhe von 200,- Euro monatlich einverstanden erklärt hat.

Da die Rechtsverfolgung aus den genannten Gründen erfolgreich und die Antragstellerin prozessarm ist, war ihr für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen.

Die Kostenentscheidung folgt aus der entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 177 SGG).