Aussonderungsrecht an Vorbehaltseigentum bei Finanzierung wie im echten Factoring in der Insolvenz des Käufers

OLG München, Urt. v. 18.11.2014 – 5 U 1454/14 (rechtskräftig)
Leitsätze:
1. Finanziert ein Dritter aufgrund vertraglicher Vereinbarungen mit dem Verkäufer den Erwerb einer Sache, so berechtigt der vom Verkäufer abgeleitete Eigentumsvorbehalt des Dritten in der Insolvenz des Käufers zur Aussonderung des Vorbehaltseigentums, sofern der Verkäufer dem Dritten auch die Kaufpreisforderung und die Rechte aus dem Kaufvertrag, insbesondere das Rücktrittsrecht, abgetreten hat. Denn in diesem Fall sichert das Vorbehaltseigentum wie vor der Übertragung den Rückgewähranspruch an der Kaufsache im Rücktrittsfall und damit einen Warenkredit. (amtlicher Leitsatz)


Gründe:
I. Der Kläger ist Verwalter in dem auf Eigenantrag vom 21.2.2012 mit Beschluss des AG vom 1.4.2012 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der K. GmbH (nachfolgend: Schuldnerin). Er begehrt die Zahlung einer Feststellungs- und einer Verwertungspauschale sowie die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet ist, evtl. anfallende Umsatzsteuer an die Masse zu erstatten.

Die Schuldnerin war im Tiefbaubereich tätig und hatte von der Z. GmbH, dem bundesweiten Vertragshändler für D. Baumaschinen, unter Eigentumsvorbehalt sechs Baumaschinen gekauft und mit der Beklagten unter Verwendung eines vorformulierten Formulars sechs Verträge über die Finanzierung dieser Erwerbe geschlossen. In diesen Verträgen, deren Laufzeiten weit über die Insolvenzeröffnung hinausreichten, ist jeweils die Gesamtfinanzierungssumme ausgewiesen, die sich aus dem Restkaufpreis und den Finanzierungskosten zusammensetzt. Die Zahlungen der Schuldnerin sollten ratenweise erfolgen und zunächst auf Versicherungsraten, dann auf etwaige Kosten, sodann auf Zinsen und zuletzt auf die Kaufpreisforderung angerechnet werden. Im vorformulierten Text findet sich u.a. folgender Passus: „C. (Anm. des Senats: die Beklagte) hat die Kaufpreisforderung von der Z. GmbH angekauft und wird sie dem Kunden nach Maßgabe der nachfolgenden Konditionen stunden. Der Kunde nimmt zustimmend zur Kenntnis, dass insbesondere die Kaufpreisforderung, der Eigentumsvorbehalt nebst den Herausgabeansprüchen, das Rücktrittsrecht aus dem Kaufvertrag sowie etwaige Ansprüche der Z. GmbH auf Nutzungsentschädigung im Falle eines Rücktritts vom Kaufvertrag an C. abgetreten sind. Der Kunde wird die gestundete Kaufpreisforderung und ggf. eine Nutzungsentschädigung ausschließlich an C. zahlen.“ Vereinbarungsgemäß bezahlte die Schuldnerin die jeweilige Umsatzsteuer, die Beklagte die Nettokaufpreise an die Verkäuferin.

Zwischen der Verkäuferin und der Beklagten bestand seit 1.8.2003 eine „Rahmenvereinbarung über die Vorbereitung und Durchführung von Finanzierungsverträgen mit Kunden“, in der sich die Z. GmbH verpflichtet hatte, beim Abschluss von Maschinenkaufverträgen ein bestimmtes Kaufvertragsformular u.a. mit einem Eigentumsvorbehalt zu ihren Gunsten zu verwenden und dem Kunden eine Drittfinanzierung maximal des Kaufpreises abzüglich der Umsatzsteuer durch die Beklagte anzubieten. Mit dem Abschluss eines solchen Finanzierungsvertrags zwischen der Beklagten und dem Kunden kam nach den Regelungen der Rahmenvereinbarung gleichzeitig ein Forderungskaufvertrag über die Restkaufpreisforderung zwischen der Verkäuferin und der Beklagten zustande. Ziffer 1.4 der Rahmenvereinbarung regelt u.a.: „Mit Wirkung zu dem Zeitpunkt, in dem C. (Anm. des Senats: die Beklagte) den in Ziffer 1.3 genannten Kaufpreis vollständig an Z. (Anm. des Senats: die Verkäuferin) bezahlt hat, tritt Z. hiermit die jeweilige Restforderung sowie die sich aus dem mit dem Kunden geschlossenen Maschinenkaufvertrag gemäß Ziffer 7., 11.7, 11.9 und 11.10 der AVLB ergebenden Rechte, insbesondere das Recht, bei Zahlungsverzug des Kunden vom Kaufvertrag zurückzutreten, sowie die Ansprüche auf Herausgabe, Schadensersatz und Nutzungsentschädigung an C. ab. C. nimmt die Abtretungen an ...“ In Ziffer 1.5 der Rahmenvereinbarung ist bestimmt: „Z. haftet gegenüber C. dafür, dass die Restforderung existiert sowie abtretbar und nicht mit Einreden oder Einwendungen behaftet ist. Für die Einbringlichkeit der verkauften Restforderung übernimmt Z. keine Haftung; dieses Risiko trägt C.“ Ziffer 1.6 der Vereinbarung lautet auszugsweise: „Die Parteien sind sich darüber einig, dass das Vorbehaltseigentum an der Maschine mit Wirkung zu dem Zeitpunkt, in dem C. den in Ziffer 1.3 genannten Kaufpreis vollständig an Z. bezahlt hat, auf C. übergeht.

In dem vom Kläger vorgelegten Verzeichnis der Betriebs- und Geschäftsausstattung der Schuldnerin waren die fraglichen Maschinen als mit Drittrechten der Beklagten belastet verzeichnet.

Mit Schreiben an die Beklagte vom 3.5.2012 wählte der Kläger die Nichterfüllung der sechs Finanzierungsverträge, § 103 InsO, und führte aus: „Seit dem 1.4.2012 hat die neu gegründete Firma K. Tiefbau GmbH ihre Geschäftstätigkeit unter der bekannten Anschrift der Schuldnerin aufgenommen. Diese ist ggf. an der Übernahme der Verträge interessiert. Ich stelle anheim, sich diesbezüglich mit Herrn K., dem Geschäftsführer, in Verbindung zu setzen.“ Mit Vertrag vom 31. 5./5., 6., 8.6.2012 wurden die Finanzierungsverträge auf die vom Alleingesellschafter der Schuldnerin gegründete Auffanggesellschaft K. Tiefbau GmbH umgeschrieben. Diese trat mit schuldbefreiender Wirkung für die Schuldnerin in die Finanzierungs- und Kaufverträge ein. Verhandelt und unterzeichnet wurde diese Vereinbarung von der ursprünglichen Verkäuferin, von der Beklagten, von der K. Tiefbau GmbH und – für die Schuldnerin – vom Kläger. Der Ablösewert der Finanzierungsverträge beläuft sich auf insgesamt 270.418,70 €.

Mit Endurteil vom 4.4.2014 hat das LG die Beklagte antragsgemäß zur Zahlung der Feststellungs- und der Verwertungspauschale in Gesamthöhe von 24.337,69 € nebst Zinsen verurteilt und ihre Verpflichtung festgestellt, die der Masse aufgrund der Verwertung der Baumaschinen etwa entstehende Umsatzsteuer zu erstatten.

II. Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache vollumfänglich Erfolg. Das Urteil des LG war daher aufzuheben und die Klage abzuweisen.

1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung einer Feststellungs- und einer Verwertungspauschale, denn vorliegend bestand kein bloßes Absonderungs-, sondern ein Aussonderungsrecht der Beklagten an den Baumaschinen, weshalb der Kläger nicht zur Verwertung berechtigt war. Damit scheidet die Geltendmachung einer Verwertungspauschale aus. Auch eine Feststellungspauschale ist in diesem Fall nicht geschuldet, denn die Kosten der Ermittlung von Aussonderungsgut fallen der Masse zur Last (Kreft, in: HK-InsO, § 47 Rz. 30).

a) Dass die Schuldnerin – wie es die Rahmenvereinbarung zwischen der Beklagten und der Verkäuferin vorsah – die Maschinen jeweils unter Eigentumsvorbehalt von der Verkäuferin, für deren Eigentum wiederum die Vermutungsregel des § 1006 BGB streitet, gekauft und dass die Beklagte – was nach Ziffer 1.6 der Rahmenvereinbarung den Übergang des Vorbehaltseigentums gem. § 929 Satz 1, § 931 BGB an die Beklagte bewirkte – eine Zahlung in Höhe des Restkaufpreises an die Verkäuferin erbracht hat, ist als unstreitig im nicht angegriffenen Tatbestand des Ersturteils festgehalten. Entsprechend war auch vorprozessual – wie die vom Kläger selbst vorgelegte Inventarliste belegt – zwischen den Parteien unstreitig, dass die fraglichen Maschinen mit einem Eigentumsvorbehalt zu Gunsten der Beklagten belastet waren.

Anders als der Kläger meint, bestehen auch keine Bedenken gegen die Wirksamkeit der entsprechenden vertraglichen Bestimmungen über die Übertragung des Eigentumsvorbehalts im Hinblick darauf, dass dadurch der Übergang des Eigentums auf die Schuldnerin trotz Zahlung des Kaufpreises an die Verkäuferin gehindert würde. Hier übersieht der Kläger, dass die Bedingung für den Übergang des Eigentums auf die Schuldnerin, die vollständige Begleichung der Kaufpreisforderungen (§ 449 Abs. 1 BGB), durch die Zahlungen der Beklagten an die Verkäuferin nicht eingetreten ist. Denn die Beklagte zahlte nicht auf die Kaufpreisverbindlichkeiten der Schuldnerin (§ 267 Abs. 1 Satz 1 BGB), sondern auf ihre eigenen Verbindlichkeiten aus dem Ankauf der Forderungen (vgl. BGH, Urt. v. 8.5.2014 – IX ZR 128/12, ZIP 2014, 1345, Rz. 10 m.w. N., dazu EWiR 2014, 491 (Mitlehner)).

b) Entgegen der Beurteilung des LG ist der abgetretene Eigentumsvorbehalt vorliegend nicht nur wie Sicherungseigentum, das zur Absonderung berechtigt, zu behandeln. Dieser hat der Beklagten vielmehr ein Aussonderungsrecht an den Baumaschinen verschafft.

aa) Grundsätzlich kann eine Sache, die unter einfachem Eigentumsvorbehalt veräußert worden ist, in der Insolvenz des Vorbehaltskäufers, der den Kaufpreis noch nicht vollständig entrichtet hat, gem. § 47 InsO vom Verkäufer ausgesondert werden (BGH, Urt. v. 27.3.2008 – IX ZR 220/05, ZIP 2008, 842 = ZVI 2008, 249, Rz. 24, dazu EWiR 2008, 439 (Mitlehner)). Die Verlängerungs- und Erweiterungsformen des Eigentumsvorbehalts werden als Sicherungsübertragungen angesehen; sie berechtigen demgemäß in der Insolvenz des Vorbehaltskäufers – nach Eintritt des Verlängerungs- bzw. Erweiterungsfalls – nur zur abgesonderten Befriedigung (BGH ZIP 2008, 842, Rz. 24 m.w. N.). Der Grund hierfür liegt darin, dass diese Sicherungsformen, obgleich ihnen ein Warenkredit vorausgegangen ist, auch wirtschaftlich nur noch die Funktion eines Pfandrechts haben. Der nunmehr verfolgte Sicherungszweck könnte genauso gut mit einer Sicherungsübertragung erreicht werden (BGH ZIP 2008, 842, Rz. 24 m.w. N.).

bb) Entsprechend berechtigt das Vorbehaltseigentum nach seiner Überleitung auf einen Geldkreditgeber nicht mehr zur Aussonderung nach § 47 InsO, wenn die Sicherheit hierdurch einen Bedeutungswandel erfahren hat und seiner Funktion nach nunmehr einem Sicherungseigentum gleichgestellt ist (BGH ZIP 2014, 1345, Rz. 15 m.w. N.). Während das originäre Eigentum des Vorbehaltskäufers noch ausschließlich dessen Anspruch auf Rückgewähr der Kaufsache im Rücktrittsfall, also seinen Warenkredit, sichert, entfällt dieser Sicherungszweck ab der Übertragung des Eigentums auf einen Darlehensgeber des Käufers. Dieser tritt selbst dann, wenn ihm sicherungshalber auch der Kaufpreisanspruch abgetreten wird, nicht in den Kaufvertrag ein; er kann somit nicht vom Kaufvertrag zurücktreten. Der übergeleitete Eigentumsvorbehalt sichert dann ausschließlich den Darlehensrückzahlungsanspruch, aus dem der Geldkreditgeber vorrangig die Befriedigung zu suchen hat. Erst wenn feststeht, dass der Sicherungsfall eingetreten ist, kann er auf den abgetretenen Kaufpreisanspruch oder das abgeleitete Vorbehaltseigentum zurückgreifen (insgesamt zu Vorstehendem BGH ZIP 2014, 1345, Rz. 15 m.w. N.).

cc) Hier hat der Eigentumsvorbehalt nach seiner Überleitung auf die Beklagte keinen vergleichbaren Bedeutungswandel erfahren. Das Vorbehaltseigentum sicherte auch nach dieser Übertragung noch den Rückgewähranspruch an der Kaufsache im Rücktrittsfall und damit einen Warenkredit.

(1) Der Beklagten wurde das Vorbehaltseigentum an den Baumaschinen durch Abtretung von der Verkäuferin übertragen. Die Kaufpreisforderungen, die die Beklagte von der Verkäuferin ankaufte, sind nicht durch Erfüllung erloschen, sondern gem. § 398 BGB ebenfalls im Wege der Abtretung auf die Beklagte übergegangen. Gleichzeitig hat die Verkäuferin ausweislich der Rahmenvereinbarung vom 1.8.2003 insbesondere auch das Recht, bei Zahlungsverzug des Kunden vom Kaufvertrag zurückzutreten sowie die Ansprüche auf Herausgabe, Schadensersatz und Nutzungsentschädigung an die Beklagte abgetreten. Diese übernahm – wie ein echter Factor – das Risiko der Einbringlichkeit der verkauften Forderung. Damit aber erfüllte das auf die Beklagte übergeleitete Vorbehaltseigentum wie zuvor bei der Verkäuferin den Zweck, einen durch den Rücktritt vom Kaufvertrag aufschiebend bedingten Herausgabeanspruch gem. § 449 Abs. 2 BGB zu sichern (vgl. BGH ZIP 2014, 1345, Rz. 18 m.w. N.). Dass wirtschaftlich durch den Eigentumsvorbehalt auch die Finanzierungskosten abgesichert waren, ändert hieran nichts; dies wäre auch bei einem Abzahlungskauf gegenüber der Verkäuferin der Fall gewesen. Hinzu kommt, dass die Finanzierung von Baumaschinen wie streitgegenständlich sich in wirtschaftlicher Hinsicht nicht als eigenständige Darlehensgewährung darstellt, sondern als Hilfe zum vorrangigen Absatz der im Konzern gefertigten Produkte direkt oder wie hier über einen Vertragshändler.

(2) Anders als der Kläger meint, hat die Beklagte auch von dieser Sicherheit Gebrauch gemacht, nachdem er mit Schreiben vom 3.5.2012 die Nichterfüllung der sechs Finanzierungsverträge gem. § 103 InsO gewählt hatte. Dass in dieser Situation bereits der Sicherungsfall eingetreten gewesen wäre, hat der Kläger schon nicht behauptet. Eine ausdrückliche Rücktrittserklärung der Beklagten war nach einer derartigen Erklärung des Insolvenzverwalters entbehrlich (vgl. MünchKomm-Ganter, InsO, § 47 Rz. 72).

2. Der vom Kläger gestellte Hilfsantrag ist ebenfalls nicht begründet und unterfällt der Klageabweisung. Nach Vorstehendem ist ein rechtliches Interesse an der Erteilung einer Auskunft über etwa von der Beklagten erzielte Verwertungserlöse und damit ein Anspruch hierauf ausgeschlossen.

3. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf die begehrte Feststellung der Erstattungspflicht einer möglicherweise anfallenden Umsatzsteuer, weshalb die Klage auch insoweit abzuweisen war. Eine in der Vertragsumschreibung etwa liegende Lieferung der Beklagten an die Auffanggesellschaft tangiert den Kläger nicht, der sich keiner Umsatzsteuerforderung aus der Leistungsbeziehung zwischen zwei anderen Parteien ausgesetzt sehen und daher auch kein Feststellungsinteresse an dem begehrten Ausspruch darlegen kann.

III. Die Revision war zuzulassen. Die Frage, ob die Grundsätze der jüngsten höchstrichterlichen Rechtsprechung auch auf Finanzierungsverträge zur Absatzhilfe außerhalb herkömmlicher Factoring-Verträge zwischen Verkäufer und Factoring-Unternehmen anzuwenden sind, ist bislang nicht geklärt, § 543 Abs. 2 ZPO.