(Beitrag zum Beschluss des OLG Brandenburg v. 14.2.2023 – 3 W 60/22)
Die spätere Erblasserin und ihr Ehemann setzten sich mit gemeinschaftlichem Testament wechselseitig zu Erben ein. Zum Schlusserben bestimmten sie ihren Sohn. Nach dem Tode der Erblasserin erklärte der Ehemann die Ausschlagung der angefallenen testamentarischen Erbfolge unter Annahme des gesetzlichen Erbes. Daraufhin beantragte der Sohn die Erteilung eines Erbscheins, der ihn als Alleinerben ausweisen sollte.
Der Ehemann war ursprünglich durch gemeinschaftliches Testament zum Alleinerben der Erblasserin berufen. Er konnte seine Ausschlagung nach der Vorschrift des § 1948 Abs. 1 BGB auf das testamentarische Erbe beschränken. Der Ehemann nahm nun an, dass er infolge seiner Ausschlagung (neben seinem) Sohn gesetzlicher (Mit) Erbe geworden sei. Das Oberlandesgericht Brandenburg setzte dem aber entgegen, dass vorliegend die Beschränkung gem. § 1948 BGB auf die Einsetzung als testamentarischer Erbe nicht zum Eintritt der gesetzlichen Erbfolge führe. Denn die Erblasserin habe die Erbfolge umfassend durch Testament geregelt, so dass die gesetzliche Erbfolge deshalb nicht eintreten könne.
Das Oberlandesgericht begründet seine Auffassung damit, dass mit der Schlusserbeneinsetzung zugleich die Einsetzung der Kinder als Ersatzerben für den ersten Erbfall nach dem erstversterbenden Ehegatten gewollt sei. Dem mutmaßlichen Willen der Ehegatten bei Testamentserrichtung entspreche es deshalb in der Regel, dass nach der von ihnen gewollten und im gemeinschaftlichen Testament dokumentierten Nachlassplanung das Vermögen des Erstversterbenden auf jeden Fall an die Schlusserben falle, auch bei einer Ausschlagung des Längstlebenden.
Man sieht, dass eine aus § 1948 BGB motivierte Ausschlagung gefährlich ist. Denn nach Literaturansicht soll die Ausschlagung der Erbschaft als gewillkürte Erbe nur dann zur Annahme als gesetzlicher Erbe führen, wenn der Erblasser keinen Ersatzerben eingesetzt hat, die Erbschaft nicht aufgrund einer gesetzlichen Auslegungsregel einem anderen Erben zugewiesen werden kann und wenn kein Fall der Anwachsung vorliegt (NK-BGB/Ivo, 5. Aufl., § 1948 Rn. 3). In der Praxis ist das relativ selten der Fall.
Man darf nun überlegen, ob der Ehemann seine (missglückte) Ausschlagung nicht wirksam anfechten könnte, um somit seine testamentarische Alleinerbeneinsetzung wiederherzustellen. Denn wir haben es vorliegend mit einem Irrtum darüber, wem und in welchem Umfang der Erbteil infolge der Ausschlagung anfällt, also einen Irrtum über die mittelbaren oder unmittelbaren Rechtsfolgen, zu tun. Der Bundesgerichtshof hat kürzlich klargestellt, dass es sich bei einem solchen Irrtum lediglich um einen unbeachtlichen Motivirrtum handele, der grundsätzlich nicht zur Anfechtung der Ausschlagung berechtigt (BGH NJW 2023, 1725).
Der Bundesgerichtshof bezieht sich in seiner Argumentation auf die Vorschrift des § 1953 Abs. 2 BGB, die abstrakt regelt, wer Erbe und Gesamtrechtsnachfolger des Erblassers ist. Die konkrete Bestimmung der nachrückenden Person regele § 1953 Abs. 2 BGB jedoch nicht. Hier kommen nun die Testamentsauslegung und nachrangig gesetzliche Auslegungsregeln zur Anwendung. Eine Anfechtung der vorherigen Ausschlagung komme außerdem nicht in Betracht, weil die unmittelbaren Rechtsfolgen der Ausschlagung nicht auf dem Willen, der die Anfechtung des Ausschlagenden geleitet hat, beruhten, sondern sich aus § 1953 BGB ergäben.