Löschung einer GmbH wegen Vermögenslosigkeit

OLG Karlsruhe, Beschluss v. 21.08.2014, 11 Wx 92/13
Leitsatz:
1. Vermögenslosigkeit i. S. d. § 394 Abs. 1 FamFG ist nicht mit Unterbilanz, Überschuldung oder Masselosigkeit gleichzusetzen; sie liegt nur vor, wenn nach kaufmännischer-wirtschaftlicher Betrachtungsweise überhaupt keine Zugriffs- und Verteilungsmasse für die Gläubiger zur Verfügung steht. (amtlicher Leitsatz)

Zum Sachveralt:
Die Gesellschaft wendet sich gegen ihre beabsichtigte Amtslöschung wegen Vermögenslosigkeit.

Mit Verfügung vom 25.1.2010 untersagte die Stadt K. den Beteiligten zu 1) und 2) nach § 35 Abs. 1 GewO die weitere selbstständige Ausübung des Gewerbes „Großhandel mit Blumen und Pflanzen aller Art“ sowie die Ausübung aller anderen Gewerbe, für die § 35 Abs. 1 GewO gilt. Grund hierfür waren erhebliche Steuerrückstände, die in dem Bescheid gegenüber dem Finanzamt mit 142.886,36 € und gegenüber der Stadt K. mit 7.126,77 € beziffert wurden. Den dagegen erhobenen Widerspruch wies das Regierungspräsidium K. zurück. Gegen diese Bescheide haben die Beteiligten zu 1) und 2) beim VG Karlsruhe Klage erhoben. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 27.9.2011 schlossen die Beteiligten einen Vergleich, wonach die Kläger ihre Klagen zurücknehmen, die beklagte Stadt einstweilen auf die Vollstreckung der Gewerbeuntersagungsverfügungen sowie die Meldung an das Gewerbezentralregister verzichtet und sich bereit erklärt, vor Ablauf der Jahresfrist des § 35 Abs. 6 GewO das Wiedergestattungsverfahren auf Antrag einzuleiten. Mit Verfügung vom 28.6.2013 teilte das AG Mannheim dem Beteiligten zu 2) mit, dass es beabsichtigt, die Gesellschaft wegen Vermögenslosigkeit von Amts wegen im Handelsregister zu löschen. Durch Schreiben vom 12.8.2013 teilte der Verfahrensbevollmächtigte der Beteiligten zu 1) mit, dass die Gesellschaft nicht vermögenslos sei und auch im Hinblick auf die gewerberechtlichen Verfahren kein Grund für eine Amtslöschung bestehe. Gleichzeitig wurde die Bilanz des Steuerberaters für 2012 vorgelegt, die u.a. Aktiva von 247.224,47 € (darunter Sachanlagen 1 €, Vorräte 18.367,50 €, Forderungen aus Lieferungen und Leistungen 24.657,91 €, sonstige Vermögensgegenstände 80.644,61 €, Kassenbestand 6.819,70 € sowie ein nicht durch Eigenkapital gedeckter Fehlbetrag von 116.713,75 €), Eigenkapital von 0 € sowie Verbindlichkeiten von 247.224,47 € aufweist.

Das AG hat durch Beschluss vom 3.9.2013 den Widerspruch gegen die Löschungsankündigung zurückgewiesen. Durch Schriftsatz vom 8.10.2010 legte der Verfahrensbevollmächtigte der Beteiligten zu 1) Beschwerde ein. Das AG hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem OLG zur Entscheidung vorgelegt.

Aus den Gründen:

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. In der Sache hat die Beschwerde Erfolg und führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung. Von einer Vermögenslosigkeit der Beteiligten zu 1) kann nicht ausgegangen werden.

a) § 394 Abs. 1 FamFG erlaubt die Löschung einer GmbH, wenn sie kein Vermögen besitzt. Das ist dann der Fall, wenn es an einer verteilungsfähigen Masse, die zur Gläubigerbefriedigung verwertbar wäre, fehlt; schon das Vorhandensein von Vermögen auch nur in geringem Umfang steht der Annahme der Vermögenslosigkeit entgegen (OLG Düsseldorf FGPrax 2006, 226 f.; OLG Karlsruhe NJW-RR 2000, 630; BayObLG ZIP 1984, 175 f.). Der Begriff der Vermögenslosigkeit deckt sich daher nicht mit den Begriffen der Unterbilanz, der Überschuldung und der Masselosigkeit (Roth/Altmeppen, GmbHG, 7. Aufl., § 75 Rz. 53; Haußleiter/Schemmann, FamFG, § 394 Rz. 4; Schmidt/Bitter, in: Scholz, GmbHG, 10. Aufl., § 60 Rz. 49; vgl. auch KG FGPrax 2007, 237). Vermögenslosigkeit liegt daher nur vor, wenn nach kaufmännischer-wirtschaftlicher Betrachtungsweise überhaupt keine Zugriffs- und Verteilungsmasse mehr für die Gläubiger zur Verfügung steht (Schmidt/Bitter, ebd.).

b) In verfahrensrechtlicher Hinsicht muss das Registergericht wegen der schwerwiegenden Folgen der Löschung die Voraussetzungen für die Annahme einer Vermögenslosigkeit besonders genau und gewissenhaft prüfen und die erforderlichen Tatsachen von Amts wegen ermitteln. Die bloße Überzeugung des Gerichts von der Vermögenslosigkeit genügt nicht; die Überzeugung muss vielmehr auf ausreichenden Ermittlungen beruhen (OLG Düsseldorf ZIP 2013, 672 = FGPrax 2013, 33 f.; OLG Karlsruhe NJW-RR 2000, 630; Haas, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 20. Aufl., Anh. § 77 Rz. 9). Eine unterlassene Darlegung des Geschäftsführers ist in diesem Zusammenhang kein hinreichendes Indiz (OLG Düsseldorf FGPrax 2011, 134; BayObLG ZIP 1984, 175 f.).

c) Nach diesen Maßstäben besteht keine hinreichende Überzeugung von der Vermögenslosigkeit der Beteiligten zu 1).

aa) Die Gewerbeuntersagung der Stadt K. vom 27.3.2013 stützt sich auf erhebliche Steuerrückstände. Erhebliche Steuerschulden oder eine fehlende Zahlungsmoral rechtfertigen für sich genommen jedoch noch nicht die Annahme von Vermögenslosigkeit (Heinemann, in: Keidel, FamFG, 18. Aufl., § 394 Rz. 7; Krafka/Kühn, Registerrecht, 9. Aufl., Rz. 432; OLG Düsseldorf ZIP 2013, 672 = FGPrax 2013, 33 f.).

bb) Entgegen der Ansicht des Registergerichts belegt die vorgelegte Bilanz für das Jahr 2012 nicht die Vermögenslosigkeit; im Gegenteil weist sie – und darauf ist abzustellen – noch Forderungen, sonstige Vermögensgegenstände und einen Kassenbestand in nennenswerter Höhe aus. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die Bilanz unzutreffend ist, sind nicht ersichtlich.

cc) Die weiteren Ermittlungen durch das Beschwerdegericht führen zu keinem anderen Ergebnis.

(1) Die Auskunft des Finanzamts K. vom 6.2.2014 weist zwar erhebliche Ausstände von 156.759,15 € auf. Darauf kommt es für sich genommen – wie oben dargelegt – jedoch nicht an. Zwar wird in dem Bericht von früheren erfolglosen Vollstreckungsversuchen berichtet, weshalb im Jahr 2009 bei der Stadt K. ein Gewerbeuntersagungsverfahren eingeleitet worden sei. Gleichzeitig wird jedoch bestätigt, dass die Beteiligte zu 1) im Jahr 2013 rd. 21.000 € Steuerschulden beglichen hat. Bei der Prüfung der Vermögenslosigkeit ist auf die jetzigen Verhältnisse abzustellen (OLG Hamburg NJW-RR 1992, 547, 549; Haußleiter/Schemmann, a. a. O., § 394 Rz. 18). Daher ist allein der zeitlich letzte Umstand der erheblichen Steuerrückzahlung im Jahr 2013 bei der Bewertung der derzeitigen Vermögenssituation maßgebend.

(2) Nach Auskunft des Schuldnerverzeichnisses beim AG K. besteht keine Eintragung im Schuldnerverzeichnis. Entgegenstehende Erkenntnisse ergeben sich auch nicht aus dem Vollstreckungsportal der Länder.

(3) Die vorgelegte Bilanz für 2013 zeigt wiederum Vorräte, Forderungen und sonstige Vermögensgegenstände sowie einen Kassenbestand auf, die zusammengenommen unter dem Gesichtspunkt der Vermögenslosigkeit hinreichendes verteilungsfähiges Vermögen darstellen.

(4) Bei dieser Sachlage kommt es nicht entscheidend darauf an, dass die Beteiligte zu 1) der Auflage zur Vorlage von Fahrzeugpapieren nicht nachgekommen ist.

dd) Auch bei würdigender Gesamtbetrachtung aller Umstände mögen die ermittelten Erkenntnisse zwar eine krisenhafte Situation der Beteiligten zu 1) belegen, die Überzeugung von einer Vermögenslosigkeit i. S. d. § 394 Abs. 1 FamFG lässt sich hieraus jedoch nicht gewinnen.