Zur Ausschließung eines Gesellschafters aus einer zweigliedrigen Gesellschaft aus wichtigem Grund

OLG Koblenz, Urteil v. 15.07.2014, 3 U 1462/12
Leitsätze:
1. Bei einer zweigliedrigen Gesellschaft ist eine Ausschließung eines Gesellschafters unter Fortbestand der Gesellschaft grundsätzlich nicht möglich, da § 737 BGB, der den Ausschluss eines Gesellschafters behandelt, nicht unmittelbar anwendbar ist Bei einer zweigliedrigen GbR steht den Mitgesellschaftern jedoch analog § 737 Satz 1 BGB, § 140 Abs. 1 Satz 2 HGB ein durch einseitige Erklärung auszuübendes Übernahmerecht zu, wenn der Gesellschaftsvertrag für den Fall der Kündigung eine Übernahme- oder Fortsetzungsklausel enthält (in Anknüpfung an OLG München, Urt. v. 24.6.1998 – 15 U 1625/98, NZG 1998, 937; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 20.10.2005 – 16 U 3/05, ZIP 2006, 1954 (LS) = NJW-RR 2006, 405).

2. Die Ausschließung eines Gesellschafters muss unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls das äußerste Mittel darstellen, um Schaden von der Gesellschaft abzuwenden und von dem ausscheidenden Gesellschafter drohenden Gefahren zu begegnen (in Anknüpfung an BGH, Urt. v. 17.2.1955 – II ZR 316/53, BGHZ 16, 317 = WM 1955, 437).

3. Der wichtige Grund muss auf solchen Umständen in der Person des Gesellschafters gründen, die die Fortsetzung der Gesellschaft mit ihm für den Mitgesellschafter unzumutbar machen. Maßgebend ist namentlich im Fall der Zerstörung des Vertrauensverhältnisses unter den Gesellschaftern eine Würdigung der Gesamtumstände des Einzelfalls, bei der auch das Verhalten der Mitgesellschafter zu berücksichtigen ist. Kommen auch Pflichtwidrigkeiten der den Ausschluss erklärenden Mitgesellschafter in Betracht, setzt der Ausschluss eine „überwiegende Verursachung des Zerwürfnisses“ durch den auszuschließenden Gesellschafter voraus (in Anknüpfung an BGH NZG 2003, 625 = ZIP 2003, 1037).

4. Der Streitwert einer Feststellungsklage, die die Wirksamkeit des Ausschlusses eines Gesellschafters aus einer GbR zum Gegenstand hat, bemisst sich nach dem Wert von dessen Gesellschaftsanteil (in Anknüpfung an KG, Beschl. v. 18.2.2008 – 2 W 1203/07, juris). (amtliche Leitsätze)

Gründe:
I. Der Kläger und H.W. (im Folgenden Schuldner) gründeten mit Gesellschaftsvertrag vom 12.5.1993 die Schiffsgemeinschaft „MS Gabriele W. GbR“ (im Folgenden GbR). Der Kläger hat den Schuldner erstinstanzlich u.a. auf Feststellung verklagt, dass die Schiffsgemeinschaft zum 23.8.2011 vollbeendet worden sei. Das LG hat den Schuldner mit Zwischenurteil vom 12.11.2012 antragsgemäß verurteilt. Gegen das Urteil hat der Schuldner Berufung eingelegt. Am 5.2.2013 ist das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt worden. Der Beklagte hat das zwischenzeitlich gem. § 240 ZPO unterbrochen gewesene Berufungsverfahren aufgenommen und verfolgt die Berufung weiter.

Zweck der GbR war der Betrieb des Binnenschiffs „MS Gabriele W.“ Der Schuldner sollte als Geschäftsführer und Schiffsführer tätig sein, während dem Kläger die Befrachtung oblag. Die Gesellschafter bestimmten in § 17 des Gesellschaftsvertrags, dass die Ausschließung eines Gesellschafters aus wichtigem Grund möglich ist und die Gesellschaft unter den verbleibenden Gesellschaftern fortgeführt wird.

Nachdem die Zusammenarbeit zunächst positiv verlaufen war, kam es später zum Streit der Gesellschafter. Der Kläger warf dem Schuldner vor, Gesellschaftsvermögen unterschlagen und seine Pflichten als Geschäftsführer verletzt zu haben. Der Schuldner seinerseits erhob den Vorwurf, der Kläger habe nicht für eine ausreichende Befrachtung gesorgt. Ab Frühjahr 2011 führte der Schuldner die Geschäfte zunehmend in eigener Regie und organisierte ab Juli 2011 eine Befrachtung des Schiffs über ein Konkurrenzunternehmen der vom Kläger geführten Fa. V.W. Transport & Logistik. Mit Schreiben vom 22.8.2011 und mit anwaltlichem Schreiben vom 24.8.2011 erklärte der Kläger gegenüber dem Schuldner den Gesellschafterausschluss aus der GbR mit sofortiger Wirkung. Dem widersprach der Schuldner mit anwaltlichem Schreiben vom 26.8.2011.

Die Gesellschafter haben in erster Instanz auch über die Herausgabe des Schiffs an den Kläger und Zustimmung zur Berichtigung des Schiffsregisters gestritten. Nachdem der Kläger aufgrund der Insolvenz des Schuldners nochmals dessen Ausschluss aus der Gesellschaft zum 19.4.2013 erklärt hat, ist das Schiff im Mai 2013 herausgegeben und der Berichtigung des Schiffsregisters zugestimmt worden.

In einem weiteren Rechtsstreit vor dem LG Heidelberg (3 O 27/12) nimmt der Schuldner die vom Kläger geführte Fa. V.W. Transport & Logistik im Rahmen einer Stufenklage auf Auskunftserteilung und Abrechnung von Befrachtungsverträgen in Anspruch. Das dortige Verfahren wurde mit Beschluss vom 3.8.2012 im Hinblick auf den hiesigen Rechtsstreit bis zu dessen rechtskräftiger Entscheidung gem. § 148 ZPO ausgesetzt.

II. Die zulässige Berufung bleibt in der Sache ohne Erfolg.

1. Die Zwischenfeststellungsklage ist gem. § 256 Abs. 2 ZPO zulässig. Der Kläger hat ein rechtliches Interesse an der begehrten Feststellung bereits deshalb, weil er von Gläubigern der GbR in Anspruch genommen wird. Zudem ist die Entscheidung über den Zeitpunkt der Beendigung der GbR für den vor dem LG Heidelberg (3 O 27/12) geführten Rechtsstreit vorgreiflich.

 

2. Die Zwischenfeststellungsklage ist auch begründet. Der vom Kläger erklärte Ausschluss des Schuldners aus der GbR zum 23.8.2011 war wirksam.

a) Zutreffend führt das LG aus, dass bei einer zweigliedrigen Gesellschaft eine Ausschließung eines Gesellschafters unter Fortbestand der Gesellschaft grundsätzlich nicht möglich ist, da § 737 BGB, der den Ausschluss eines Gesellschafters behandelt, nicht unmittelbar anwendbar ist (Palandt/Sprau, BGB, 73. Aufl., 2014, § 737 Rz. 1; MünchKomm-Schäfer, BGB, 6. Aufl., 2013, § 737 Rz. 6; OLG München, Urt. v. 24.6.1998 – 15 U 1625/98, NZG 1998, 937 = juris Rz. 29; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 20.10.2005 – 16 U 3/05, NJW-RR 2006, 405 = juris Rz. 79). Bei einer zweigliedrigen GbR steht den Mitgesellschaftern jedoch analog § 737 Satz 1 BGB, § 140 Abs. 1 Satz 2 HGB ein durch einseitige Erklärung auszuübendes Übernahmerecht zu, wenn der Gesellschaftsvertrag für den Fall der Kündigung eine Übernahme- oder Fortsetzungsklausel enthält (OLG München NZG 1998, 937 = juris Rz. 29; MünchKomm-Schäfer, ebd.).

Der maßgebliche Gesellschaftsvertrag enthält eine solche Fortsetzungsklausel. Dort ist geregelt, dass in den Fällen der Ausschließung eines Gesellschafters die Gesellschaft unter den verbleibenden Gesellschaftern fortgeführt wird.

b) Der Senat teilt die Auffassung des LG, dass in entsprechender Anwendung der § 737 Satz 1 i.V. m. § 723 Abs. 1 Satz 2 BGB eine außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung der in § 2 des Gesellschaftsvertrags bestimmten Kündigungsfrist von sechs Monaten bereits aufgrund des unstreitigen Sachverhalts berechtigt war.

Für die Beurteilung, ob ein wichtiger Grund angenommen werden kann, gelten strengste Anforderungen. Die Ausschließung eines Gesellschafters muss unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls das äußerste Mittel darstellen, um Schaden von der Gesellschaft abzuwenden und von dem ausscheidenden Gesellschafter drohenden Gefahren zu begegnen (Roth, in: Baumbach/Hopt, HGB, 36. Aufl., 2014, § 140 Rz. 6, § 133 Rz. 5 f.; BGH, Urt. v. 17.2.1955 – II ZR 316/53, BGHZ 16, 317 = WM 1955, 437). Der wichtige Grund muss auf solchen Umständen in der Person des Gesellschafters gründen, die die Fortsetzung der Gesellschaft mit ihm für den Mitgesellschafter unzumutbar machen. Maßgebend ist namentlich im Fall der Zerstörung des Vertrauensverhältnisses unter den Gesellschaftern eine Würdigung der Gesamtumstände des Einzelfalls, bei der auch das Verhalten der Mitgesellschafter zu berücksichtigen ist (BGH ZIP 2006, 127 = NJW 2006, 844). Kommen auch Pflichtwidrigkeiten der den Ausschluss erklärenden Mitgesellschafter in Betracht, setzt der Ausschluss eine „überwiegende Verursachung des Zerwürfnisses“ durch den auszuschließenden Gesellschafter voraus (BGH ZIP 2003, 1037 = NZG 2003, 625, dazu EWiR 2003, 1235 (Kowalski)). Beispiele für wichtige Gründe können sein: Veruntreuung von Gesellschaftsvermögen oder unberechtigte, zur Aushöhlung des Gesellschaftsvermögens vorgenommene Entnahmen in der Erwartung der Trennung von der Gesellschaft (BGHZ 16, 317 = WM 1955, 437; BGH, Urt. v. 23.2.1981 – II ZR 229/79, BGHZ 80, 346 = ZIP 1981, 985 = NJW 1981, 985 = WM 1981, 936; Roth, a. a. O., § 140 Rz. 7).

Danach lag zum maßgebenden Zeitpunkt der Ausschlusserklärung am 22.8.2011 ein wichtiger Grund für die Ausschließung des Schuldners vor.

Es ist unstreitig, dass der Schuldner nach dem Scheitern einer einvernehmlichen Regelung ab 2011 zunehmend dazu übergegangen ist, die Gesellschaft als eigene zu führen. Er hat die dem Kläger obliegende Aufgabe der Befrachtung des Binnenschiffs übernommen, ihm die Buchführung entzogen und die Mitwirkung an der Gesellschaft verweigert. Er hat weder die Veräußerung des Geschäftswagens der Gesellschaft noch die Verwendung des Beiboots ordnungsgemäß gegenüber der Gesellschaft abgerechnet und den Kläger über wesentliche Dinge des Betriebs des Schiffs nicht informiert. Es kommt hinzu, dass der Kläger von Gläubigern der Gesellschaft persönlich in Anspruch genommen worden ist, weil der Schuldner Rechnungen an die Gesellschaft nicht weitergeleitet hat. Unter diesen Umständen war das Vertrauensverhältnis zwischen den Gesellschaftern aufgrund von in der Person des Schuldners liegenden Umständen in einer Art und Weise zerstört, dass dem Kläger eine Fortsetzung der GbR nicht zumutbar war.

III. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird in der Gebührenstufe bis 35.000 € festgesetzt. Der Streitwert einer Feststellungsklage, die die Wirksamkeit des Ausschlusses eines Gesellschafters aus einer GbR zum Gegenstand hat, bemisst sich nach dem Wert von dessen Gesellschaftsanteil (KG, Beschl. v. 18.2.2008 – 2 W 1203/07, juris). (Wird ausgeführt.)