Schenkungsanfechtung im Falle der geduldeten Überziehung einer gemeinschaftlichen Kreditlinie

 

BGH, Urteil v. 25.02.2016, IX ZR 12/14
Leitsatz:
InsO § 129 Abs. 1, § 134 Abs. 1
Erbringt eine von mehreren verbundenen Gesellschaften, denen die Bank eine gemeinschaftliche Kreditlinie eingeräumt hatte, eine Zahlung durch eine geduldete Überziehung ihres Kontos, benachteiligt dies ihre Gläubiger, auch wenn mit der Zahlung die Verbindlichkeit einer verbundenen Gesellschaft getilgt wird. (amtlicher Leitsatz)

Entscheidung:
Der Kläger ist Insolvenzverwalter in dem auf einen Antrag vom 17. September 2010 am 27. Oktober 2010 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der D. GmbH (fortan: Schuldnerin), einer Tochtergesellschaft der A. AG, über deren Vermögen am 29. November 2010 ebenfalls das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Die A. AG schuldete der Beklagten nach einem am 25. November 2009 geschlossenen Vergleich 27.600,- €. Am 23. Dezember 2009 überwies die Schuldnerin diesen Betrag von ihrem Konto bei der D. Bank, die den verbundenen Gesellschaften eine gemeinsame Kreditlinie von 5 Mio. € eingeräumt hatte, an die Beklagte. Die A. AG verfügte zu diesem Zeitpunkt noch über liquide Mittel in Höhe von etwa 28.200,- €.

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Erstattung der von der Schuldnerin geleisteten Zahlung unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der Schenkungsanfechtung nach § 134 Abs. 1 InsO. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Der Bundesgerichtshof verhalf der Revision zum Erfolg und verwies die Sache an das Berufungsgericht zurück.

Der Insolvenzanfechtung unterliegen gemäß § 129 Abs. 1 InsO nur Rechtshandlungen, welche die Insolvenzgläubiger objektiv benachteiligen. Eine Gläubigerbenachteiligung liegt vor, wenn die Rechtshandlung entweder die Schuldenmasse vermehrt oder die Aktivmasse verkürzt und dadurch den Zugriff auf das Vermögen des Schuldners vereitelt, erschwert oder verzögert hat, mithin wenn sich die Befriedigungsmöglichkeiten der Insolvenzgläubiger ohne die Handlung bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise günstiger gestaltet hätten. Demnach scheidet eine Benachteiligung der Insolvenzgläubiger aus, wenn die angefochtene Rechtshandlung nicht das haftende Vermögen des Insolvenzschuldners, sondern dasjenige eines Dritten betroffen hat (BGH, Urteil vom 17. Dezember 2015 - IX ZR 287/14, WM 2016, 282 Rn. 13 mwN).

Schöpft der Schuldner neue Gelder aus einer lediglich geduldeten Kontoüberziehung und fließen diese aufgrund einer vom Schuldner veranlassten Überweisung von der Bank direkt dem Empfänger zu, benachteiligt dies die Gläubiger des Schuldners, weil die Zuwendung an den Empfänger nur infolge und nach Einräumung des vom Schuldner beantragten Überziehungskredits bewirkt werden kann. Eine solche Direktzahlung könne anfechtungsrechtlich nicht anders als eine Zahlung aus Mitteln des Schuldnervermögens, die aus einem zuvor gewährten Darlehen stammen, behandelt werden (BGH, Urteil vom 6. Oktober 2009 - IX ZR 191/05, BGHZ 182, 317 Rn. 14 f.; vom 1. Juli 2010 - IX ZR 70/08, WM 2010, 1756 Rn. 12).

Die Gläubigerbenachteiligung liege in einem solchen Fall darin, dass die Mittel des Überziehungskredits nicht zunächst in das Vermögen der Schuldnerin gelangten und dort für den Zugriff der Gesamtheit ihrer Gläubiger verblieben sind. Nur die Gläubiger der die Darlehensmittel abrufenden Gesellschaft würden benachteiligt, wenn die Bank das Darlehen nicht an die anweisende Gesellschaft, sondern zu Lasten ihres Kontos direkt an einen Dritten auszahlte. Dabei sei unerheblich, ob die Überweisung der Tilgung einer eigenen Verbindlichkeit der Insolvenzschuldnerin, einer Schuld der verbundenen Gesellschaft oder derjenigen eines Dritten diente. Entscheidend für die Frage der Gläubigerbenachteiligung sei allein, dass die Zahlung auf der Grundlage einer zwischen der Insolvenzschuldnerin und der Bank bestehenden Darlehensbeziehung erfolgte.

Die Entscheidung des Berufungsgerichts stelle sich nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Die von § 134 Abs. 1 InsO vorausgesetzte Unentgeltlichkeit der Leistung werde nicht dadurch ausgeschlossen, dass die A. AG zum Zeitpunkt der Zahlung der Schuldnerin noch über liquide Mittel verfügte, die den Zahlungsbetrag geringfügig überstiegen. Die Tilgung einer fremden Schuld als unentgeltliche Leistung ist nach § 134 Abs. 1 InsO anfechtbar, wenn die gegen den Dritten gerichtete Forderung des Zuwendungsempfängers wertlos war; dann hat der Zuwendungsempfänger wirtschaftlich nichts verloren, was als Gegenleistung für die Zuwendung angesehen werden kann (BGH, Urteil vom 17. Oktober 2013 - IX ZR 10/13, WM 2013, 2182 Rn. 6 mwN; vom 29. Oktober 2015 - IX ZR 123/13, WM 2016, 44 Rn. 6). Von der Wertlosigkeit der Forderung des Zuwendungsempfängers ist regelmäßig schon dann auszugehen, wenn er materiell zahlungsunfähig, mithin insolvenzreif war (BGH, Urteil vom 22. Oktober 2009 - IX ZR 182/08, WM 2009, 2283 Rn. 8; vom 17. Juni 2010 - IX ZR 186/08, WM 2010, 1421 Rn. 7; vom 18. April 2013 - IX ZR 90/10, WM 2013, 1079 Rn. 6; vom 17. Oktober 2013 - IX ZR 10/13, WM 2013, 2182 Rn. 7). Der Leistungsempfänger könne sich in einem solchen Fall nur dann darauf berufen, noch Vollstreckungsmöglichkeiten gegen seinen Schuldner gehabt zu haben, wenn er trotz dessen Zahlungsunfähigkeit insolvenzbeständig auf noch vorhandene Vermögensgegenstände hätte zugreifen können. Die Darlegungs- und Beweislast hierfür trägt der Anfechtungsgegner (BGH, Urteil vom 17. Juni 2010, aaO Rn. 8 f).

Es ist davon auszugehen, dass die A. AG im Zeitpunkt der angefochtenen Überweisung zahlungsunfähig gewesen sei, womit die gegen sie gerichtete Forderung der Beklagten ohne Wert war. Allein der Umstand, dass die A. AG noch über liquide Mittel verfügte, die knapp über der Höhe ihrer Verbindlichkeit gegenüber der Beklagten lagen, ändere daran nichts.

Die Rechtsprechung des Senats, wonach das gegenseitige Nachgeben im Rahmen eines Vergleichs regelmäßig nicht unentgeltlich erfolgt (BGH, Urteil vom 9. November 2006 - IX ZR 285/03, NZI 2007, 101 Rn. 15 ff), sei hier nicht einschlägig, weil der Kläger nicht die im Vergleich getroffene Vereinbarung angefochten hat, sondern die von der Schuldnerin auf die Verpflichtung der A. AG aus dem Vergleich erbrachte Leistung. Es komme, wie bei der durch die Zahlung erfüllten Forderung, auf die Werthaltigkeit der Forderungen an.

Der vom Kläger erklärten Schenkungsanfechtung stehe auch nicht der Vorrang einer konkurrierenden Deckungsanfechtung des Verwalters im Insolvenzverfahren über das Vermögen der A. AG entgegen (vgl. dazu BGH, Urteil vom 16. November 2007 - IX ZR 194/04, BGHZ 174, 228 Rn. 23 ff; vom 22. Oktober 2009 - IX ZR 182/08, WM 2009, 2283 Rn. 12). Für die Voraussetzungen einer Deckungsanfechtung, insbesondere dass die Schuldnerin den Gegenwert der Mittel, mit denen die Beklagte befriedigt wurde, aus ihrem Vermögen zur Verfügung gestellt hätte, sei nichts ersichtlich.