Maßgeblicher Zeitpunkt für Frist des § 88 InsO nicht durch Eröffnungsbeschluss nachweisbar

Maßgeblicher Zeitpunkt für Frist des § 88 InsO nicht durch Eröffnungsbeschluss nachweisbar

OLG München, Beschl. v. 14.08.2014, 34 Wx 328/14
Leitsatz:
1. Der grundbuchverfahrensrechtliche Nachweis, dass das von der Rückschlagsperre erfasste Recht innerhalb der Frist des § 88 InsO eingetragen wurde, ist nicht schon durch den Eröffnungsbeschluss des Insolvenzgerichts erbracht, auch wenn in dessen Gründen der Zeitpunkt des maßgeblichen Antrags aufgeführt ist (Anschluss an OLG Hamm vom 21.8.2013, 15 W 392/12). (amtlicher Leitsatz)

Gründe:

I. Die Insolvenzschuldnerin ist - noch unter ihrer früheren Firma - als Eigentümerin von Wohnungseigentum im Grundbuch eingetragen. Am 10.4.2013 wurde aufgrund einstweiliger Verfügung vom 3.4.2013 eine Vormerkung zur Sicherung des Anspruchs auf Eintragung einer Sicherungshypothek zu 40.573,24 € (unter Mithaft anderen Wohnungseigentums) im Grundbuch eingetragen (Abt. III.4.). Am 24.4.2013 wurde aufgrund einstweiliger Verfügung vom 27.3.2013 eine Vormerkung zur Sicherung des Anspruchs auf Eintragung einer Sicherungshypothek zu 73.283,68 € (nebst Zinsen) im Grundbuch eingetragen (Abt. III.5.). Über das Vermögen der Schuldnerin hat das Amtsgericht am 10.4.2014 das Insolvenzverfahren eröffnet und den Beteiligten zum Insolvenzverwalter bestellt. In den Gründen des vorgelegten Eröffnungsbeschlusses ist (unter anderem) ausgeführt, der Antrag sei am 8.5.2013 beim Insolvenzgericht eingegangen.

Der Beteiligte hat am 12.5.2014 (Eingang) - soweit hier noch erheblich - die Löschung der eingetragenen Vormerkungen wegen absoluter Unwirksamkeit (§ 88 InsO) beantragt. Das Grundbuch sei unrichtig geworden und durch Löschung der genannten Eintragungen zu berichtigen. Das Antragsdatum im Beschluss des Insolvenzgerichts belege den Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung auch gegenüber dem Grundbuchamt.

Das Grundbuchamt hat insoweit mit fristsetzender Zwischenverfügung vom 12.6.2014 die fehlende Löschungsbewilligung der beiden Gläubiger sowie die Zustimmung des durch den Insolvenzverwalter vertretenen Grundstückseigentümers je in grundbuchmäßiger Form moniert. Der Unrichtigkeitsnachweis sei durch die Angaben im insolvenzgerichtlichen Eröffnungsbeschluss nicht erbracht. Die Unwirksamkeit der eingetragenen Rechte sei auch nicht offenkundig.

4Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Beteiligten vom 23.6./6.7.2014, der das Grundbuchamt nicht abgeholfen hat.

Der Beteiligte meint, den grundbuchverfahrensrechtlichen Anforderungen werde hier mit der Datumsangabe im gerichtlichen Eröffnungsbeschluss Genüge getan. Daran sei nämlich auch das Prozessgericht im Anfechtungsverfahren gebunden. Die Ausfertigung des Eröffnungsbeschlusses mit Nennung des Antragsdatums erbringe daher den Unrichtigkeitsnachweis gemäß § 22 GBO.

II. Die nach § 71 Abs. 1, § 73 GBO zulässige Beschwerde gegen die nach § 18 Abs. 1 GBO ergangene Zwischenverfügung hat im Wesentlichen keinen Erfolg. Aufzuheben ist die Entscheidung nur insofern, als auch die fehlende Eigentümerzustimmung (§ 27 GBO) beanstandet wird. Diese liegt mit dem am 9.5.2014 eingereichten Kaufvertrag vom 6.5.2014 in grundbuchmäßiger Form vor (Ziff. 6.1). Gegenständlich ist im Übrigen noch das beanstandete Fehlen formgerechter (§ 29 GBO) Löschungsbewilligungen (Berichtigungsbewilligungen) zweier in ihren Rechten Betroffener (§ 19 GBO), die der Beteiligte angesichts des aus seiner Sicht geführten Unrichtigkeitsnachweises nach § 22 GBO für entbehrlich hält. Jedoch verlangt das Grundbuchamt zu Recht die Bewilligung des jeweiligen Gläubigers der beiden Vormerkungen.

1. Nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 12.7.2012 (BGHZ 194, 60) kann, wenn eine grundbuchmäßige Sicherung erlangt wird, deren Unwirksamkeit nach § 88 InsO im Raum steht, die Unrichtigkeit des Grundbuchs nicht nur aufgrund einer Bewilligung des Gläubigers nach § 19 GBO beseitigt werden; vielmehr ist das Grundbuch auch dann zu berichtigen, wenn seine Unrichtigkeit im Sinne von § 22 GBO nachgewiesen wird (BGH a. a. O. Rn. 11; siehe auch Hügel/Wilsch GBO 2. Aufl. Insolvenzrecht und Grundbuchverfahren Rn. 100; Demharter GBO 29. Aufl. Anhang zu § 44 Rn. 66.3; aus der Rechtsprechung Senat vom 25.8.2010, 34 Wx 68/10 = Rpfleger 2011, 80; OLG Köln FGPrax 2010, 230; OLG Hamm Rpfleger 2014, 158). Der dazu berechtigte Insolvenzverwalter (siehe § 80 Abs. 1 InsO) kann die Löschung der von der Rückschlagsperre erfassten Rechte auf verschiedenen gleichrangigen Wegen erreichen, zum einen durch Klage gegen den Rechtsinhaber, zum anderen durch Berichtigungsantrag nach § 22 GBO (BGH a. a. O. Rn. 12). Dem steht ein mögliches „Wiederaufleben“ des Rechts nicht entgegen.

2. Allerdings muss im Berichtigungsverfahren nach § 22 GBO der Unrichtigkeitsnachweis in der Form des § 29 GBO erbracht werden (Demharter § 22 Rn. 42; Hügel/Holzer § 22 Rn. 65). Die Formvorschrift ist selbst dann zu beachten, wenn die Möglichkeit, formgerecht zu erklären, im Einzelfall erschwert oder unzumutbar ist oder sogar unmöglich sein sollte (BayObLG Rpfleger 1984, 463 f.; Demharter a. a. O.). Nachzuweisen ist auch der für den Eintritt der insolvenzrechtlichen Rückschlagsperre nach § 88 InsO maßgebliche Zeitpunkt, in dem der Eröffnungsantrag (§ 13 InsO) beim Insolvenzgericht eingegangen ist. Die Ausnahme der Offenkundigkeit, nämlich dass die Rechte in dem letzten Monat vor der Eröffnung oder danach eingetragen worden sind (BGH a. a. O. bei Rn. 17; OLG Hamm Rpfleger 2014, 158/159) - scheidet ersichtlich aus.

a) Durch die genannte Entscheidung des Bundesgerichtshofs ist geklärt, dass eine Bescheinigung des Insolvenzgerichts über den Zeitpunkt des Antragseingangs, aufgrund dessen das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, kein grundbuchtauglicher Nachweis in der Form einer öffentlichen Urkunde nach § 415 Abs. 1 ZPO darstellt (dort Rn. 18).

Nach Überzeugung des Senats kann der Nachweis aber auch nicht dadurch gegenüber dem Grundbuchamt erbracht werden, dass die Gründe des vorgelegten Eröffnungsbeschlusses - dieser ist als solcher öffentliche Urkunde im Sinne von § 417 ZPO (Zöller/Geimer ZPO 30. Aufl. § 417 Rn. 1) -den Zeitpunkt des Antragseingangs datumsmäßig bezeichnen (ebenso OLG Hamm Rpfleger 2014, 158). Das Eingangsdatum des maßgeblichen Eröffnungsantrags gehört, anders als der Zeitpunkt der Eröffnung selbst (vgl. § 27 Abs. 2 Nr. 3 InsO), nicht zum zwingenden, damit bezeugenden Inhalt des Eröffnungsbeschlusses (vgl. § 27 Abs. 2 InsO), weshalb es schon grundsätzlich zweifelhaft ist, dass dessen Aufnahme in die Entscheidungsgründe eine grundbuchmäßige Nachweisführung erlaubt (siehe Eckardt EWiR 2012, 631). Die Angabe birgt auch Unsicherheiten, weil für die Fristenberechnung (vgl. § 88 mit § 139 InsO) nicht in jedem Fall derjenige Antrag maßgeblich ist, aufgrund dessen das Verfahren eröffnet wurde (vgl. § 139 Abs. 2 InsO). Der Gesetzgeber sah vielmehr bewusst davon ab, das Insolvenzgericht mit der Feststellung zu belasten, welcher von mehreren Insolvenzanträgen für die Fristenberechnung nach § 139 Abs. 2 InsO maßgeblich ist (BGH a. a. O. Rn. 21; MüKo/InsO Schmahl/Busch 3. Aufl. §§ 27 bis 29 Rn. 44). Ob das Prozessgericht im Einzelfall an die Rechtsauffassung des Insolvenzgerichts gebunden ist, etwa wenn der tatsächlich zur Eröffnung führende Antrag zugleich der früheste ist (MüKo/InsO Kirchhof § 139 Rn. 10), kann auf sich beruhen. Jedenfalls ist die Datumsangabe in den Gründen des Eröffnungsbeschlusses grundbuchverfahrensrechtlich kein urkundlicher Nachweis für den Fristenbeginn nach § 139 Abs. 1 InsO.

c) Weil das Berichtigungsverfahren aufgrund Unrichtigkeitsnachweises in die Grundbuchposition des eingetragenen Betroffenen ohne dessen Bewilligung eingreift und dieses auch zur Klärung streitiger Tatsachen weder geeignet noch bestimmt ist, stellt die Rechtsprechung seit jeher an einen derartigen Nachweis strenge Anforderungen (siehe etwa BayObLGZ 1995, 413/416; 2003, 26/27; Senat vom 12.12.2007, 34 Wx 118/07 = FGPrax 2008, 52; Bauer/von Oefele GBO 3. Aufl. § 22 Rn. 171; Demharter § 22 Rn. 37). Sie gelten auch hier. Ersichtlich sieht dies der Bundesgerichtshof ebenso. Seine Ausführungen (bei Rn. 19 bis 22) sind nach dem Verständnis des Senats nicht dahin zu verstehen, dass bei datumsmäßiger Bezeichnung des Insolvenzantrags im vorgelegten Eröffnungsbeschluss der Nachweis als erbracht anzusehen wäre, nämlich nur ganz entfernte, bloß theoretische Möglichkeiten beständen, die gegen die Maßgeblichkeit des genannten Datums sprächen. Vielmehr gelten die Erwägungen des Bundesgerichtshofs ausdrücklich auch für den Fall, dass nur ein einziger Eröffnungsantrag gestellt wurde (bei Rn. 22), was hier im Übrigen unbekannt ist. Dann kann es aber beweismäßig keinen Unterschied machen, ob das Insolvenzgericht außerhalb der ihm zugewiesenen Aufgaben eine Bescheinigung über den Eingang des maßgeblichen Antrags erteilt oder aber, ohne dass dies zum gesetzlichen Inhalt zählt, das nach seiner Beurteilung maßgebliche Datum in den Gründen des Eröffnungsbeschlusses bezeichnet (ebenso OLG Hamm Rpfleger 2014, 158/159).

3. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Der Geschäftswert ist gemäß § 79 GNotKG festzusetzen und nach der mutmaßlichen Schwierigkeit zu bemessen, welche die Behebung des Hindernisses bereitet (Demharter § 77 Rn. 36 und 37). Mangels tatsächlicher Anhaltspunkte geht der Senat vom Regelwert des § 36 Abs. 3 GNotKG aus.

Die Rechtsbeschwerde ist nicht zuzulassen, weil deren Voraussetzungen (siehe § 78 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 GBO) nicht vorliegen. Durch die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 12.7.2012 ist geklärt, dass eine Bescheinigung des Insolvenzgerichts keinen geeigneten Nachweis darstellt; damit ist der frühere Beschluss des Oberlandesgerichts Köln vom 14.7.2010 (FGPrax 2010, 230) überholt. Das Oberlandesgericht Brandenburg (Beschluss vom 9.9.2010, 5 Wx 19/10, bei juris) hält zwar eine Nachweisführung bereits durch die (öffentlich beglaubigte) Ablichtung der Antragsschrift sowie den (ausgefertigten) Eröffnungsbeschluss für möglich. Indessen ist auch diese Entscheidung vor derjenigen des Bundesgerichtshofs ergangen. Im Hinblick auf die mit der gegenständlichen Entscheidung gleichlautende Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Hamm (Rpfleger 2014, 158) erscheint auch eine einheitliche Rechtsprechung gesichert.