(Beitrag zum Urteil des OLG Rostock vom 19.03.2018, 3 U 67/17)
In einer Erbengemeinschaft kann erheblicher Streit darüber entstehen, wer und in welcher Wiese eine zum Nachlass gehörende Immobilie nutzen darf. Häufig hat ein Miterbe bereits über Jahre hinweg (entschädigungslos) in der Nachlassimmobilie gewohnt und will deren Nutzung nach dem Tod des Erblassers fortsetzen. In einem Fall, den das Oberlandesgericht Rostock im März dieses Jahres entschieden hat, war es ähnlich. Im September 2015 forderten Miterben, die 6/10 der Erbteile am Nachlass hielten, den Miterben, der die Nachlassimmobilie bis zu seinem Auszug im März 2017 alleine nutzte, auf, nun eine Nutzungsentschädigung an die Erbengemeinschaft zu leisten.
Das Oberlandesgericht verurteilte den alleine nutzenden Miterben für den Zeitraum ab der Zahlungsaufforderung durch die übrigen Miterben bis zu seinem Auszug. Zu zahlen war letztlich ein Betrag, der dem einer Miete entsprochen hätte, gekürzt um den Anteil des Miterben am Nachlass.
Mit dem Tod des Erblassers entsteht unter mehreren Erben kraft Gesetzes eine sog. Gesamthandsgemeinschaft, die den Nachlass abzuwickeln hat. Jeder Miterbe kann jederzeit die Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft beanspruchen. Übrigens unterliegt der Anspruch auf Auseinandersetzung einer Erbengemeinschaft nicht der Verjährung (§§ 2042 Abs. 2, 758 BGB). In Bezug auf die Verwaltung einer Nachlassimmobilie sind auf die Erbengemeinschaft die Regeln des Gemeinschaftsrechts (dann sog. Bruchteilsgemeinschaft) anzuwenden. Daraus lassen sich für die Praxis die folgenden Empfehlungen ableiten:
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Einen Nutzungsentschädigung kann immer erst verlangt werden, wenn der verlangende Miterbe entweder sein eigenes (Mit)Gebrauchsrecht geltend macht (§ 743 Abs.2 BGB) oder eine entsprechende Verwaltung und Benutzung in Form einer Nutzungsentschädigung verlangt hat. Das gilt sowohl für Ansprüche, die sich aus dem Gemeinschaftsrecht ergeben als auch für Ansprüche aus Bereicherungsrecht (BGH NJW 1998, 372). Hinsichtlich bereicherungsrechtlicher Ansprüche ist zu beachten, dass die Möglichkeit zur (Mitbe)Nutzung der Nachlassimmobilie zwar zum Vermögen eines jeden Miterben gehört; die abstrakte Möglichkeit einer eigenen Nutzung genügt jedoch nicht, um Nutzungsentschädigung verlangen zu können (BGH ZIP 2018, 1601; BGH BeckRS 2018, 19103). Da es vorliegend auf tatsächlich gezogenen Nutzungen als primären Bereicherungsgegenstand ankommt, ist der Zeitpunkt der Einforderung des Mitgebrauchs bzw. einer Neuregelung maßgeblich.
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Die Erbengemeinschaft kann nach den Regeln des Gemeinschaftsrechts die Verwaltung und Benutzung der Nachlassimmobilie in Richtung einer Nutzungsentschädigung, zu zahlen durch den allein nutzenden Miterben, ändern. Es handelt sich dabei um eine Maßnahme der sog. ordnungsgemäßen Nachlassverwaltung. Voraussetzung ist ein Mehrheitsbeschluss; die Stimmenmehrheit bestimmt sich nach den Anteilen am Nachlass. Konsequenterweise ist der allein nutzende Miterbe nicht stimmberechtigt, da der zu fassende Beschluss der Erbengemeinschaft ein Rechtsgeschäft mit ihm zum Gegenstand hat.
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Sofern eine Stimmenmehrheit nicht hergestellt werden kann, hat der die Änderung/Nutzungsentschädigung begehrende Miterbe ausdrücklich gem. § 745 Abs.2 BGB eine entsprechende Neuregelung der Verwaltung und Benutzung der Nachlassimmobilien zu verlangen. Das sollte durch ein Schreiben an den allein nutzenden Miterben geschehen, mit dem die Einräumung des Mitgebrauchs, ersatzweise die Zahlung von Nutzungsersatz an die Erbengemeinschaft, verlangt werden. Sofern eine Neuregelung nicht zustande kommt, kann der begehrende Miterbe Klage auf Einwilligung in eine entsprechende Regelung der Verwaltung und Nutzung der Nachlassimmobilie erheben (Klage auf Abgabe einer Willenserklärung). Es muss auf Zahlung an die Erbengemeinschaft geklagt werden. Es kommt dann nicht mehr auf eine Stimmenmehrheit an sondern darauf, ob die begehrte Änderung im Interesse aller Miterben einem billigen Ermessen entspricht.
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Entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts Rostock kann auch unmittelbar eine Zahlungsklage erhoben werden, wenn die dem Zahlungsbegehren entsprechende Benutzungsregelung billigen Ermessen i.S.v. § 745 Abs.2 BGB entspricht. Das ist zumindest für den Bundesgerichtshof vorstellbar.
Zu beachten ist stets, dass eine Entschädigungszahlung noch § 745 Abs.2 BGB erst von dem Zeitpunkt an verlangt werden kann, indem der begehrende Miterbe eine entsprechende Benutzungsregelung verlangt hat. Um diesbezüglich keine Fehler zu machen, sollte der begehrende Miterbe bereits im Rahmen der außergerichtlichen Aufforderung einen Rechtsanwalt konsultieren.