(Beitrag zum Urteil des BGH v. 17.04.2018, X ZR 65/17)
Wer z.B. eine Immobilie schenkweise an seine Kinder überträgt, soll nach dem Willen des Gesetzgebers berechtigt sein, das Geschenk zurückzuverlangen, wenn er, der Schenker, nicht mehr in der Lage ist, seinen angemessenen Unterhalt zu bestreiten. Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn der Schenker aufgrund von Gebrechlichkeit in einem Pflegeheim versorgt werden muss. In diesen Fällen kann der Sozialhilfeträger den Rückforderungsanspruch des Schenkers auf sich überleiten.
Der Beschenkte kann sich die Rückforderung mit dem Einwand wehren, dass die Bereicherung durch das Geschenk nicht mehr in seinem Vermögen vorhanden ist. Außerdem ist zu beachten, dass nach der Vorschrift des § 529 Abs. 1 BGB eine Rückforderung ausgeschlossen ist, wenn zum Zeitpunkt des Eintritts der Bedürftigkeit des Schenkers die Schenkung bereits mindestens 10 Jahre zurückliegt.
In einem von dem Bundesgerichtshof im April 2018 entschiedenen Fall hatte die Schenkerin/spätere Erblasserin ihrer Tochter im Jahr 1995 ein Hausgrundstück unentgeltlich zugewendet. Jedoch hatte die Schenkerin/Mutter sich ein unentgeltliches lebenslanges dingliches Wohnungsrecht vorbehalten und im Grundbuch eintragen lassen. Im Jahr 2003 hat die Mutter auf das Wohnungsrecht verzichtet und dessen Löschung im Grundbuch bewilligt. Die Tochter vermietete die Wohnung fortan an ihre Mutter gegen eine Kaltmiete i.H.v. 340,- Euro monatlich. Im August 2012 zog die Mutter in ein Alten- und Pflegeheim um. Die Wohnung stand zunächst leer, wurde von der Tochter aber ab September 2013 wieder vermietet. Im März 2015 verstarb die Mutter. Der zuständige Sozialhilfeträger leitete wegen nicht gedeckter Aufwendungen einen Rückforderungsanspruch der Mutter auf sich über. Streitig war der Umfang des Rückforderungsanspruchs.
Ausgangspunkt der juristischen Überlegungen ist ein bereicherungsrechtlicher Anspruch, der auf Ersatz des Wertes der durch die Löschung des dinglichen Wohnungsrechts erlangten Bereicherung der Tochter gerichtet ist. Der Bundesgerichtshof ist der Auffassung, dass die beschenkte Tochter bis zur Erschöpfung des Wertes des gelöschten Wohnungsrechts Ersatz zu leisten habe. Dieser richte sich auf die monatlichen Zahlungen in Höhe des ungedeckten Unterhaltsbedarfs der Mutter. Zur Ermittlung des Wertes des gelöschten Wohnungsrechts sei der Zeitpunkt maßgeblich, zu dem der Rückforderungsanspruch der Mutter entstand; das war vorliegend der Monat August 2012. Es war also zu ermitteln, welchen Wertzuwachs die Immobilie im August 2012 (Stichtag) durch das im Jahr 2003 weggefallene Wohnungsrecht noch hatte. In diesem Zusammenhang ist die seinerzeitige statistische Lebenserwartung der aus dem Wohnungsrecht berechtigten Mutter in die Wertermittlung einzubeziehen. Dieser Betrag stellt die Obergrenze des Rückforderungsanspruchs dar.
Interessant wird die Entscheidung wegen der seit der Schenkung durch die Tochter gezogenen Nutzungen bzw. abstrakten/konkreten Nutzungsmöglichkeiten, die neben dem Wert des gelöschten Wohnungsrechts generell auch herauszugeben sind. Vorliegend konnten die von der Tochter erlangten Gebrauchsvorteile naturgemäß nicht mehr in natura herausgegeben werden. Sie sind dann sog. sekundäre Bereicherungsgegenstände, für die Wertersatz zu leisten ist.
Der Bundesgerichtshof ist der Auffassung, dass die herauszugebenden Nutzungen nicht nur die von September 2013 bis März 2015 erwirtschafteten Mietüberschüsse umfassen. Herauszugeben seien als sekundäre Bereicherungsgegenstände (§ 818 Abs.2 BGB) die Bereicherungen, die sich aus der wirtschaftlichen Möglichkeit zur Nutzung seit der Schenkung im Jahr 2003 ergeben haben. Der objektive Wert der Nutzungsmöglichkeit soll entscheidend sein, unabhängig davon ob die Wohnung durch die Tochter selbst genutzt wurde, vermietet wurde oder leer stand.
Für die Zeit vor August 2012 (maßgeblicher Zeitpunkt des Entstehens des Wertersatzanspruchs) soll sich der Nutzungsersatz insbesondere auf die aus der Vermietung (an die Mutter) erlangten konkreten Beträge richten. Allerdings seien die aus dem Vermögen der Tochter zwischenzeitlich weggefallenen Bereicherungen in Abzug zu bringen. Ob generell Nutzungen, die zeitlich vor Entstehung des Herausgabeanspruchs nach § 528 Abs. 1 BGB anzusiedeln sind, nur insoweit herauszugeben sind, als sie tatsächlich erzielt wurden (“das Vermögen des Beschenkten bereichert haben“), bleibt unklar. Jedenfalls verweist der Bundesgerichtshof insoweit nicht auf die Vorschrift des § 987 BGB.
Anders dürfte in dem Fall zu werten sein, in dem dem Beschenkten lediglich die Möglichkeit eines unentgeltlichen Wohnens (in Form einer unentgeltlichen Leihe) zugewendet wird. In diesem Fall stellt nämlich der Gebrauchsvorteil den sog. primären Leistungsgegenstand dar. Herauszugeben wären dann nur die tatsächlich gezogenen Nutzungen als Abschöpfung einer echten Vermögensmehrung (so z.B. BGH NJW 2013, 2021).Nicht gezogene Nutzungen bei alleine objektiver Nutzungsmöglichkeit dürften entsprechend dem Rechtsgedanken des § 987 BGB nur ab dem Zeitpunkt zu leisten sein, in dem der Beschenkte zur Leistung aufgefordert worden ist und er schuldhaft ihm mögliche Nutzungen nicht gezogen hat. In Rechtsprechung und Literatur ist allerdings umstritten, in welchem Fall ein Gebrauchsvorteil “gezogen“ worden ist. Abgestellt werden kann nämlich auf die abstrakte Gebrauchsmöglichkeit, eine konkrete Gebrauchsmöglichkeit oder den tatsächlichen Gebrauch. Der Gesetzgeber hat dieses Problem nicht ausdrücklich geregelt.