Keine Bedürftigkeit des Vorerben – trotz Dauertestamentsvollstreckung

LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 13.11.2014, L 15 AS 457/12
Leitsatz:
1. Das Einkommen aus einem Erbfall ist im Falle einer aus einer angeordneten Testamentsvollstreckung resultierenden Verfügungsbeschränkung des Hilfebedürftigen insoweit zu berücksichtigen, als diesem aufgrund einer Freigabe durch den Testamentsvollstrecker tatsächlich bereite Mittel aus der Erbschaft zufließen und zur Deckung des Bedarfs verwendet werden können. (amtlicher Leitsatz)

Tatbestand:
Streitig sind Ansprüche des Klägers auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für den Zeitraum vom 6. Juli bis 21. Dezember 2010.

Der 1965 geborene, alleinstehende und langjährig alkoholabhängige Kläger stand bei dem Beklagten nach vorangegangenem Sozialhilfebezug seit dem 1. Januar 2005 im Leistungsbezug nach dem SGB II. Er bewohnte mit seiner 1943 geborenen, verwitweten und berenteten Mutter ein Einfamilienhaus unter der Anschrift L. Nachdem der Kläger Kosten für Unterkunft und Heizung nicht geltend machte, bewilligte der Beklagte ihm jeweils nur die Regelleistung in der maßgeblichen Höhe. Die Leistungen wurden auf das Konto der Mutter überwiesen. Diese war Alleineigentümerin des gemeinsam genutzten Hausgrundstücks und daneben Alleineigentümerin eines weiteren Hausgrundstücks unter der Anschrift M.. Sie hatte am 27. Januar 2003 ein notarielles Testament errichtet. Darin bestimmte sie den Kläger, welcher ihr einziges Kind war, sowie ihren Cousin N. O. zu ihren Erben zu je 1/2. Dabei wurde der Kläger als Vorerbe eingesetzt und zu seinem Nacherben der Cousin N. O.. Weiter heißt es in dem Testament:

Weil mein Sohn nicht in der Lage ist, seine Angelegenheiten selbst zu besorgen, insbesondere die ihm durch den Erbfall zufallenden Vermögensteile selbst zu verwalten, ordne ich für die Verwaltung des Erbteils von meinem Sohn A. B. Testamentsvollstreckung als Dauervollstreckung auf die Lebenszeit von meinem Sohn A. B. an.

Zum Testamentsvollstrecker benenne ich meinen vorgenannten Cousin N. O., ersatzweise soll das Nachlassgericht einen geeigneten Testamentsvollstrecker bestimmen. Der Testamentsvollstrecker ist von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit. Über den Erbteil insgesamt darf der Testamentsvollstrecker nur mit Zustimmung des Vormundschaftsgerichts verfügen. Der Testamentsvollstrecker hat den Erbteil einschließlich der Erträge und Nutzungen zu verwalten, Geldbeträge gewinnbringend anzulegen und, falls Grundstücke vorhanden sind, diese in ordnungsgemäßem Zustand zu halten und zu vermieten.

Der Testamentsvollstrecker ist verpflichtet, meinem Sohn A. B. für die nachgenannten Zwecke Mittel nach freiem Ermessen aus den Erträgnissen des Vermächtnisses zur Verfügung zu stellen:

Taschengeld in angemessener Höhe, Kleidung, Bettwäsche, persönliche Anschaffungen, die Einrichtung und Gewährung einer Wohnung im bisherigen Umfang einschließlich der Anschaffung der dafür notwendigen Materialien und Ausstattungsgegenstände, ärztliche Behandlung, Therapien und Medikamente, die von der Krankenkasse nicht oder nicht vollständig bezahlt werden, z. B. Brille, Zahnersatz, Kuraufenthalte, Besuche bei Verwandten und Freunden.

Auf die Substanz des Vermögens darf der Testamentsvollstrecker zurückgreifen, sofern dies notwendig ist. Der Testamentsvollstrecker hat immer nach dem Wohle meines Sohnes A. B. zu entscheiden.

Die Mutter des Klägers verstarb am 21. Januar 2009. Mit Beschluss des Amtsgerichts Papenburg vom 16. Juni 2010 wurde für den Kläger wegen einer Minderbegabung und einer ca. 35 Jahre andauernden Alkoholerkrankung, die zu Persönlichkeitsveränderungen und einer substanzinduzierten Demenz geführt hatte, ein Betreuer mit dem Aufgabenkreis Sorge für die Gesundheit, Aufenthaltsbestimmung, Vermögenssorge sowie Rechts-/Antrags- und Behördenangelegenheiten bestellt. Der Testamentsvollstrecker P. O. teilte dem Betreuer mit Schreiben vom 1. Juli 2010 mit, dass zwei Liegenschaften (Q. und R. in S.) vorhanden gewesen seien. Die Liegenschaft Q. habe er veräußert und den Kaufpreis zu 50% auf ein Testamentsvollstreckerkonto bei der T. eingezahlt. Auf diesem Konto stehe aktuell ein Betrag von ca. 34.000,00 € zur Verfügung. Von diesem Konto zahle er sämtliche Nebenkosten und Grundsteuern für das von dem Kläger bewohnte Haus R.. Ferner bestreite er die anfallenden Ausgaben „für Nahrungsmittel, Bekleidung etc“. Außerdem erhalte der Kläger von diesem Konto monatlich 200,00 € „für private Dinge“. Schließlich zahle er auch die Kosten der Grabpflege für zwei Grabstellen. Eingezahlt würden auf dieses Konto die monatlichen „Bezüge Hartz IV“.

Der Beklagte bewilligte dem Kläger zuletzt mit Bescheid vom 5. Januar 2010 Leistungen nach dem SGB II in Höhe der Regelleistung für den Bewilligungszeitraum vom 1. Januar bis 30. Juni 2010. Die Zahlung erfolgte auf das von dem Testamentsvollstrecker geführte Treuhandkonto bei der T. (Kto.-Nr. ...). Dieses Konto wies am 1. Juli 2010 ein Guthaben in Höhe von 33.449,35 € auf. Mit seinem Folgeantrag vom 6. Juli 2010 legte der Kläger einen Kontoauszug über sein eigenes Konto bei der T. (Kto.-Nr. ...) vor, aus dem sich eine am 1. Juli 2010 eingegangene Überweisung des Testamentsvollstreckers in Höhe von 200,00 € ergab. Der Beklagte lehnte die Weitergewährung von Leistungen nach dem SGB II mit dem angefochtenen Bescheid vom 2. August 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Februar 2011 ab. Zur Begründung führte er in seinem Widerspruchsbescheid aus, der Kläger sei nicht hilfebedürftig i. S. d. § 9 Abs. 1 SGB II. Der Testamentsvollstrecker sei von der Erblasserin durch testamentarischen Willen verpflichtet worden, aus den Erträgnissen und Früchten des Nachlasses dem Kläger monatlich Zuwendungen zuteil werden zu lassen. Nach dem Willen der Erblasserin solle er den zur Verfügung stehenden Nachlass so verwalten und verwenden, dass das Wohlergehen des Klägers gesichert sei. Um dieses zu gewährleisten, dürfe der Testamentsvollstrecker ausdrücklich auf die Substanz des Vermögens zugreifen. Dementsprechend sei hier der Nachrang der Sozialhilfe zu beachten, wonach andere Möglichkeiten vor der Inanspruchnahme von Sozialleistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts auszuschöpfen seien. Der Testamentsvollstrecker müsse somit notfalls auf die Substanz des Vorerbteils zugreifen, wenn der Lebensunterhalt des Vorerben anderweitig nicht sichergestellt werden könne.

In der Folgezeit überwies der Testamentsvollstrecker weiterhin monatlich 200,00 € von dem Treuhandkonto auf das Konto des Klägers, zeitweise in vier Raten von jeweils 50,00 €. Ferner wurden von dem Treuhandkonto die Unterkunftskosten des Klägers bestritten (Grundbesitzabgaben, Abfallbeseitigungs- und Schornsteinfegergebühren, Abschlagszahlungen für Gas- und Wasserversorgung, Gebäudeversicherung, Verbandsbeiträge, Kosten für Brennholz, Malerarbeiten und Baumaterial). Außerdem wurden für den Kläger Telefon- und Rundfunkgebühren, Abschlagszahlungen für Strom, Versicherungsbeiträge für Privathaftpflicht- und Unfallversicherungen, Praxisgebühren, Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge und Vereinsbeiträge (Schützen- und Fischereiverein) abgebucht und Barauszahlungen für Grabschmuck vorgenommen.

In der Zeit vom 22. Dezember 2010 bis 28. Februar 2011 befand sich der Kläger in dem U.. Für diesen Zeitraum bewilligte der Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 7. Februar 2011 unter Auferlegung eines monatlichen Kostenbeitrags von 200,00 € Eingliederungshilfe für behinderte Menschen nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) in Form der Kostenübernahme für die stationäre Betreuung, Unterkunft und Verpflegung sowie der Gewährung eines monatlichen Barbetrags und einer jährlichen Bekleidungsbeihilfe. Nach Entlassung aus dem Wohnheim wurde für den Kläger am 1. März 2011 ein neuer Leistungsantrag gestellt, welcher bislang nicht beschieden ist. Auf einen im Mai 2012 gestellten weiteren Antrag bewilligte der Beklagte dem Kläger im Hinblick auf eine zwischenzeitlich erfolgte Reduzierung des Guthabens auf dem Nachlasskonto auf einen Betrag unterhalb der Vermögensfreibeträge wieder Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II (Bescheid vom 16. August 2012 für den Bewilligungszeitraum vom 1. Mai bis 31. Oktober 2012, Höhe der monatlichen Leistungen: 590,73 €). Die Zahlungen erfolgten erneut auf das von dem Testamentsvollstrecker geführte Treuhandkonto. Mit Schreiben vom 20. März 2013 teilte die V. der Grundsicherungsstelle des Beklagten auf ein Ersuchen nach § 45 SGB XII mit, dass der Kläger voll erwerbsgemindert i. S. d. § 43 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) sei und es unwahrscheinlich sei, dass die volle Erwerbsminderung behoben werden könne. Diese bestehe zumindest seit dem 18. Mai 2010.

Gegen den Ablehnungsbescheid des Beklagten vom 2. August 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Februar 2011 ist für den Kläger am 21. März 2011 Klage erhoben worden. Es ist im Wesentlichen geltend gemacht worden, dass der Kläger lediglich über ein Konto sowie zwei Spareinlagen bei der T. mit einem Wert von 25,62 € (Stand: 11. März 2011) verfüge. Über den ihm von der Mutter zugewandten hälftigen Nachlass könne er wegen der angeordneten Testamentsvollstreckung nicht verfügen. Er habe auch keinen rechtlich durchsetzbaren Anspruch gegen den Testamentsvollstrecker auf Freigabe über die Nutzungen hinausgehender Teile des Nachlasses. Die Auslegung des Testaments der Mutter ergebe, dass der dem Kläger zugewandte hälftige Nachlass nicht zur Bestreitung der laufenden Kosten des Lebensunterhalts gedacht gewesen sei. Der Kläger sei bereits bei Errichtung des Testaments im Januar 2003 langjährig schwer alkoholkrank und arbeitslos gewesen. Die Erblasserin habe dem Kläger langfristig eine Reserve für Notfälle zur Verfügung stellen wollen. Ein existenzsichernder Verbrauch des Nachlasses habe nicht erfolgen sollen.

Mit Urteil vom 18. September 2012 hat das Sozialgericht (SG) Osnabrück die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Kläger nicht hilfebedürftig i. S. d. § 9 Abs. 1 SGB II sei. Die von dem Testamentsvollstrecker ausgekehrten, dem Bedarf des Klägers betreffenden Leistungen seien nach § 11 SGB II zu berücksichtigende Einnahmen. Es müsse dabei nicht abschließend geprüft werden, ob diese Zahlungen regelmäßig erfolgt seien und bedarfsdeckend gewesen seien, da der Kläger über diese als Einkommen zu berücksichtigenden Zuwendungen hinaus realisierbares Einkommen habe. Zwar sei er wegen der Testamentsvollstreckung gem. § 2211 Abs. 1 BGB daran gehindert, über den „Vermächtnisgegenstand“ zu verfügen, allerdings habe er gegen den Testamentsvollstrecker einen durchsetzbaren Anspruch auf Versorgung aus dem Erbe. Die Auslegung des Testaments ergebe, dass eine „Vollversorgung“ des Klägers gewollt gewesen sei. Dies folge aus der detaillierten Aufzählung der Bedarfe, die mit den Leistungen des Testamentsvollstreckers abzudecken seien. Eine Begrenzung auf zusätzliche Bedarfe sei nicht erkennbar. Soweit Nahrungsmittel und Getränke in der Aufzählung nicht genannt würden, sei zu berücksichtigen, dass dem Kläger ein Taschengeld zur Verfügung zu stellen sei und in der Praxis nach den Angaben des Testamentsvollstreckers zusätzlich zu dem Taschengeld die anfallenden Ausgaben für Nahrungsmittel, Bekleidung und anderes übernommen worden seien. Auch finde sich eine strikte Begrenzung des Rückgriffs auf die Substanz für Notfälle im Testament nicht. Der danach bestehende - notfalls zu erstreitende - „Anspruch gegen den Testamentsvollstrecker auf Vollversorgung“ stelle fiktiv zu berücksichtigendes Einkommen dar.

Gegen das ihm am 13. November 2012 zugestellte Urteil hat der Kläger am 29. November 2012 durch seinen Prozessbevollmächtigten Berufung eingelegt. Diese ist dahingehend begründet worden, dass der Kläger entgegen der Auffassung des SG gegen den Testamentsvollstrecker keinen Anspruch auf Versorgung aus dem Erbe habe. Die detaillierten Anordnungen in dem Testament beträfen allein die Erträgnisse des Erbes. Eine Vollversorgung aus diesen Erträgnissen sei angesichts der geringen finanziellen Mittel von ca. 34.000,00 € nicht möglich. Hierfür seien die anfallenden Zinsen viel zu niedrig. Ein Rückgriff auf die Vermögenssubstanz sei im Testament ausdrücklich eingeschränkt. Dass ein solcher Rückgriff den Ausnahmefall darstellen solle, ergebe sich bereits daraus, dass ansonsten eine Unterscheidung zwischen den Erträgnissen und der Substanz im Testament nicht notwendig gewesen wäre. Demgegenüber führe die Auslegung des SG dazu, dass die Substanz des Vermögens in jedem Fall aufzubrauchen sei. Zudem spreche auch die von der Erblasserin angeordnete dauerhafte Testamentsvollstreckung auf die Lebenszeit des Klägers deutlich gegen die Annahme, dass die Mutter eine Verwendung des Nachlasses zur Vollversorgung zugelassen habe. Im Übrigen könne der Kläger ohnehin nicht auf Ansprüche gegen den Testamentsvollstrecker verwiesen werden, da es sich insoweit nicht um bereite Mittel handele. Denn dieser Anspruch müsse erst gerichtlich durchgesetzt werden, da er keineswegs unstreitig sei.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Dem Kläger stehen die geltend gemachten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nicht zu.

Für den allein noch streitbefangenen Zeitraum vom 6. Juli bis 21. Dezember 2010 hat der Kläger bereits deshalb keine Leistungsansprüche nach dem SGB II, weil er nach den Feststellungen des Rentenversicherungsträgers seit dem 18. Mai 2010 voll erwerbsgemindert war. Damit gehörte der Kläger zum Zeitpunkt seines Weiterbewilligungsantrags vom 6. Juli 2010 unabhängig von der Frage der Hilfebedürftigkeit nicht zum leistungsberechtigten Personenkreis nach dem SGB II, da gem. § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB II nur erwerbsfähige Personen Leistungen nach dem SGB II erhalten. Erwerbsfähig ist nach § 8 Abs. 1 SGB II, wer nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Diese Voraussetzungen erfüllt der Kläger in Anbetracht der Feststellungen des Rentenversicherungsträgers nicht.

Der Senat lässt offen, ob auch in der vorliegenden Konstellation, in der der Kläger bereits zum Zeitpunkt seines Folgeantrags vom 6. Juli 2010 erwerbsunfähig war, für die gerichtliche Entscheidung gemäß § 44a Abs. 2 S. 3 SGB II von der Erwerbsfähigkeit des Klägers in dem streitbefangenen Zeitraum auszugehen ist. In seinem Urteil vom 2. April 2014 (B 4 AS 26/13 R) hat das BSG in einem Fall, in dem der Folgeantrag aus anderen Gründen (Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 5 SGB II) abgelehnt worden war und im Laufe des Rechtsstreits die volle Erwerbsminderung eingetreten war, auf seine bisherige Rechtsprechung verwiesen, wonach der Leistungsberechtigte aufgrund der Regelung des § 44a Abs. 1 S. 3 SGB II nicht nur bei einem schon bestehenden Streit zwischen den Leistungsträgern bis zu einer Entscheidung der Einigungsstelle nach deren Anrufung, sondern bereits im Vorfeld so zu stellen sei, als wäre er erwerbsfähig. Nach Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung dürfe der Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende fehlende Erwerbsfähigkeit nicht annehmen, ohne den zuständigen Sozialhilfeträger eingeschaltet zu haben (BSG a. a. O. Rn. 49). Selbst wenn nach diesen Grundsätzen eine Verurteilung des Beklagten zur Gewährung von Leistungen nach dem SGB II trotz positiv festgestellter Erwerbsunfähigkeit des Klägers für den gesamten streitbefangenen Zeitraum nicht ausgeschlossen wäre, würde es an einer weiteren Anspruchsvoraussetzung, nämlich der Hilfebedürftigkeit (§ 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB II), fehlen.

Nach § 9 Abs. 1 SGB II ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, u. a. nicht aus dem zu berücksichtigenden Einkommen, sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen erhält. Als Einkommen zu berücksichtigen sind gemäß § 11 Abs. 1 S. 1 SGB II (in der bis zum 31.03.2011 gültigen Fassung) Einnahmen in Geld oder Geldeswert mit Ausnahme der Leistungen nach diesem Buch, der Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz und nach den Gesetzen, die eine entsprechende Anwendung des Bundesversorgungsgesetzes vorsehen und der Renten oder Beihilfen, die nach dem Bundesentschädigungsgesetz für Schaden an Leben sowie an Körper oder Gesundheit erbracht werden, bis zur Höhe der vergleichbaren Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz.

Der Kläger konnte seinen Lebensunterhalt in dem streitbefangenen Zeitraum mit eigenem Einkommen sicherstellen. Dabei kann der Senat offen lassen, ob der Kläger gegen den Testamentsvollstrecker einen durchsetzbaren Anspruch auf Freigabe bedarfsdeckender Geldleistungen aus dem Nachlass hatte und dieser Anspruch - wie das SG angenommen hat - der Annahme von Hilfebedürftigkeit entgegenstand. Denn dem Kläger ist tatsächlich Einkommen aus dem Nachlass zugeflossen, welches als bereites Mittel in der Lage war, seinen konkreten Bedarf in dem streitbefangenen Zeitraum vollständig zu decken. Es ist zunächst davon auszugehen, dass der Kläger durch den am 21. Januar 2009 (Tod der Mutter) eingetretenen Erbfall Einkommen und nicht Vermögen erzielt hat. Denn nach ständiger Rechtsprechung des BSG ist Einkommen grundsätzlich alles, was jemand nach Antragstellung wertmäßig dazu erhält, und Vermögen das, was er vor Antragstellung bereits hatte. Entscheidend für die Abgrenzung von Einkommen und Vermögen bei einem Erbfall ist daher, ob dieser jedenfalls vor der (ersten) Antragstellung eingetreten ist. Liegt der Erbfall vor der ersten Antragstellung, handelt es sich um Vermögen, anderenfalls um Einkommen (vgl. BSG, Urteil vom 25.01.2012 - B 14 AS 101/11 R - Rn. 19f). Hier ist der Erbfall nach der ersten Antragstellung eingetreten, so dass grundsicherungsrechtlich von der Erzielung von Einkommen auszugehen ist. Auf die Regelungen des § 12 SGB II zu den Vermögensfreibetragen kommt es vor diesem Hintergrund für die Entscheidung des Rechtsstreits nicht an.

Das Einkommen aus einem Erbfall ist allerdings nach der Rechtsprechung des BSG erst dann zu berücksichtigen, wenn die Einnahme dem Hilfebedürftigen tatsächlich zur Deckung seines Bedarfs zur Verfügung steht. Entscheidend ist der tatsächliche Zufluss „bereiter Mittel“ (BSG a. a. O. Rn. 21f; Urteil vom 12.06.2013 - B 14 AS 73/12 R - Rn. 21). Hier ist zu berücksichtigen, dass der Kläger über seinen Erbteil wegen der von der Erblasserin angeordneten Testamentsvollstreckung nicht verfügen konnte (§ 2211 Abs. 1 BGB). Ob und mit welchem Inhalt er als Erbe einen durchsetzbaren Anspruch darauf hatte, dass der Testamentsvollstrecker die von der Erblasserin getroffenen Verwaltungsanordnungen i. S. des § 2216 Abs. 2 BGB umsetzte (vgl. hierzu: BGH, Urteil vom 27.03.2013 - XII ZB 679/11), kann - wie ausgeführt - dahinstehen. Das Erbe stand dem Kläger jedenfalls in dem Umfang als bereites Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts zur Verfügung, wie es vom Testamentsvollstrecker freigegeben worden war. Die Freigabe geschieht durch die einseitige empfangsbedürftige Erklärung des Verzichts auf das Verwaltungs- und Verfügungsrecht über den betreffenden Nachlassgegenstand. Sie kann vom Testamentsvollstrecker formlos erklärt werden und sich konkludent aus den Umständen ergeben (vgl. Zimmermann in: Münchener Kommentar zum BGB, 6. Aufl. 2013, § 2217 Rn. 7). Sie kann insbesondere in der Überweisung von Geldbeträgen liegen (vgl. Hessisches LSG, Urteil vom 26.06.2013 - L 6 SO 165/10 - Rn. 37). Mit der Freigabe verliert der Testamentsvollstrecker das Verwaltungs- und Verfügungsrecht in Bezug auf den freigegebenen Gegenstand (§ 2217 Abs. 1 S. 2 BGB). Diese Wirkung tritt unabhängig davon ein, ob die sachlich-rechtlichen Voraussetzungen für einen Freigabeanspruch des Erben aus § 2217 BGB vorgelegen haben (Zimmermann a. a. O. Rn. 9).

Hier hat der Testamentsvollstrecker diejenigen Mittel freigegeben, die zur Bestreitung des Lebensunterhalts des Klägers in dem streitbefangenen Zeitraum erforderlich waren. So sind ausweislich der vorgelegten Kontoauszüge sämtliche Kosten der Unterkunft des Klägers durch Überweisungen bzw. Barabhebungen von dem Treuhandkonto, dessen Inhaber der Testamentsvollstrecker war, beglichen worden. Hierzu gehörten die zu entrichtenden Abschläge für die Gas- und Wasserversorgung, die Grundbesitzabgaben, die Gebäudeversicherung, die Abfallbeseitigungs- und Schornsteinfegergebühren, die Verbandsbeiträge sowie Kosten für Brennholz, Malerarbeiten und Baumaterial. Dementsprechend bestätigte der Testamentsvollstrecker in seinem vor Beginn des streitbefangenen Bewilligungszeitraums erstellten Schreiben vom 1. Juli 2010, das von dem Treuhandkonto sämtliche Nebenkosten und Grundsteuern für das von dem Kläger bewohnte, im Eigentum der Erbengemeinschaft stehende Haus gezahlt würden. Für die Deckung dieser Kosten durch staatliche Transferleistungen bestand bei dieser Sachlage bereits vor Erteilung des Ablehnungsbescheides vom 2. August 2010 kein Bedarf und hierfür sind auch tatsächlich zuvor keine Leistungen gewährt worden, da der Kläger durchgehend, auch zu Lebzeiten der Mutter, lediglich die Regelleistungen nach dem SGB II (ohne Kosten für Unterkunft und Heizung) erhielt.

Neben den Kosten für Unterkunft und Heizung ist aber auch der Regelbedarf des Klägers in dem streitbefangenen Zeitraum durch Geld- und Naturalzuwendungen des Testamentsvollstreckers aus dem Nachlass in vollem Umfang gedeckt worden. Auch dieser Befund ergibt sich aus dem Schreiben des Testamentsvollstreckers vom 1. Juli 2010, wonach alle anfallenden Ausgaben „für Nahrungsmittel, Bekleidung etc.“ bestritten würden, der Kläger zudem von dem Treuhandkonto monatlich 200,00 € „für private Dinge“ erhalte und schließlich die Kosten für die Grabpflege von zwei Grabstellen getragen würden. Den vorgelegten Kontoauszügen ist zu entnehmen, dass von dem Treuhandkonto für den Kläger Telefon- und Rundfunkgebühren, Abschlagszahlungen für Strom, Unfallversicherungs- und Privathaftpflichtbeiträge, Praxisgebühren, Kosten für Grabschmuck, Beiträge zum Schützenverein und Fischereiverein sowie Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge beglichen wurden. Nach § 20 Abs. 1 SGB II a. F. umfasste die Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts insbesondere Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Haushaltsenergie ohne die auf die Heizung entfallenden Anteile, Bedarfe des täglichen Lebens sowie in vertretbarem Umfang auch Beziehungen zur Umwelt und eine Teilnahme am kulturellen Leben. Der Anteil für Nahrung und Getränke belief sich auf ca. 37%, derjenige für Bekleidung und Schuhe auf ca. 10% (vgl. O. Loose in: Hohm, GK-SGB II, Stand: März 2008, § 20 Rn. 9.1). Bei einer im Jahr 2010 maßgeblichen Regelleistung für Alleinstehende in Höhe von 359 € waren darin mithin 132,83 € für Nahrung und Getränke und 35,90 € für Bekleidung und Schuhe enthalten. Auf die sonstigen Bedarfe entfielen danach 190,27 €. Diese Berechnung zeigt, dass der Bedarf des Klägers in vollem Umfang dadurch gedeckt worden ist, dass er vom Testamentsvollstrecker mit Nahrungsmitteln und Bekleidung versorgt worden ist und zudem noch 200,00 € zur freien Verwendung erhalten hat. Dies gilt umso mehr, als dass der Bedarf für Haushaltsenergie (Strom) durch die Überweisung von dem Treuhandkonto an das Versorgungsunternehmen in vollem Umfang gedeckt war und durch die sonstigen Überweisungen für Telefon- und Rundfunkgebühren, Versicherungs- und Vereinsbeiträge sowie Praxisgebühren bereits zahlreiche Kosten abgedeckt waren, welche aus der Regelleistung zu bestreiten waren. Dieser Befund wird auch durch den Vortrag der Klägerseite bestätigt, wonach der Bedarf des Klägers in Höhe des Regelsatzes für ein Haushaltsmitglied dadurch gedeckt worden sei, dass der Testamentsvollstrecker und seine Ehefrau die Bedarfsgegenstände für den Kläger beschafft und diesem zur Verfügung gestellt hätten. Im Ergebnis muss angesichts der umfassenden Bestreitung der laufenden Kosten aus dem Treuhandkonto und der zusätzlichen Natural- und Barzuwendungen durch den Testamentsvollstrecker eher von einer Überdeckung als von einer Unterdeckung des grundsicherungsrechtlichen Bedarfs des Klägers ausgegangen werden.

Der Senat lässt dahinstehen, ob die tatsächlich erhaltenen Zuwendungen aus dem Nachlass, welche - wie festgestellt - als eigenes Einkommen des Klägers i. S. des § 11 Abs. 1 S. 1 SGB II a. F. zu qualifizieren sind, dem Leistungsanspruch des Klägers dann nicht entgegenstehen würden, wenn diese nur wegen der Leistungsverweigerung des Beklagten getätigt worden wären. Denn ein solcher Sachverhalt lässt sich hier nicht feststellen. Vielmehr ist dem Schreiben des Testamentsvollstreckers vom 1. Juli 2010 eindeutig zu entnehmen, dass die aus dem Nachlass erfolgte vollumfängliche Versorgung des Klägers auch schon zuvor, d. h. während des noch laufenden Leistungsbezugs, erfolgt war. Das Schreiben des Testamentsvollstreckers kann nur so verstanden werden, dass der Kläger Leistungen nach dem SGB II von dem Beklagten auf sein Konto überwiesen erhielt, obwohl sein grundsicherungsrechtlicher Bedarf bereits vollumfänglich durch freigegebene Zuwendungen aus dem Nachlass sichergestellt war.

Aus dem Umstand, dass der grundsicherungsrechtliche Bedarf des Klägers im streitbefangenen Zeitraum vollumfänglich durch eigenes Einkommen gedeckt gewesen ist, folgt zugleich, dass - unabhängig von der Frage der Zuständigkeit des Sozialhilfeträgers - auch ein Leistungsanspruch nach dem SGB XII nicht in Betracht kommt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.