Rechtsfrage der Haftung der Erben eines Gesellschafters einer GbR für Altschulden der Gesellschaft

BGH, Beschluss v. 17.12.2013, II ZR 121/12
Leitsatz:
1. Es ist durch die Rechtsprechung grundsätzlich geklärt, dass auch Erben eines Gesellschafters einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts analog §§ 128, 130 HGB für Altschulden der Gesellschaft quotal haften. (redaktioneller Leitsatz)

 

Gründe:
I. Revisionen der Beklagten zu 10), 14) und 15).

Die Revisionen sind zurückzuweisen, weil die Voraussetzungen für ihre Zulassung nicht vorliegen und sie auch keine Aussicht auf Erfolg haben (§ 552a ZPO).

1. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts hat die Rechtssache hinsichtlich der Beklagten zu 10, 14 und 15 nicht deshalb grundsätzliche Bedeutung, weil in der Rechtsprechung der Umfang der Haftung von Gesellschaftern einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts für Gesellschaftsverbindlichkeiten im Falle durch Erbfolge erworbener Gesellschaftsanteile noch ungeklärt sein soll.

a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat eine Rechtssache grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deswegen das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt, d.h. allgemein von Bedeutung ist. Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage dann, wenn die durch das Berufungsurteil aufgeworfene Rechtsfrage zweifelhaft ist, also über Umfang und Bedeutung einer Rechtsvorschrift Unklarheiten bestehen. Derartige Unklarheiten bestehen u.a. dann, wenn die Rechtsfrage vom Bundesgerichtshof bisher nicht entschieden ist und von einigen Oberlandesgerichten unterschiedlich beantwortet wird oder wenn in der Literatur unterschiedliche Meinungen vertreten werden (vgl. nur BGH, Beschluss vom 8. Februar 2010 II ZR 54/09, ZIP 2010, 985 Rn. 3 mwN).

b) Danach hat die Rechtsfrage, ob auch Erben eines Gesellschafters einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts analog §§ 128, 130 HGB für Altschulden der Gesellschaft haften, keine grundsätzliche Bedeutung.

Zwar ist die Rechtsfrage vom Bundesgerichtshof bisher nicht ausdrücklich angesprochen worden; in den vom erkennenden Senat entschiedenen Fällen zur Gesellschafterhaftung aus §§ 128, 130 HGB waren aber bereits häufig Erben eines Gesellschafters auf der Beklagtenseite, ohne dass der Senat in der Frage ihrer Haftung ein Problem gesehen hat. In der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte wird diese Rechtsfrage nicht unterschiedlich beantwortet und in der Literatur ist die Meinung nahezu einhellig, dass auch Erben eines Gesellschafters einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts analog § 130 HGB für Altschulden der Gesellschaft haften.

aa) Dass die Regelungen der §§ 130, 139 HGB auf die aufgrund einer erbrechtlichen Nachfolgeklausel einrückenden neuen Gesellschafter mit der Folge gelten, dass diese den Altgläubigern unbeschränkt haften, falls sie von den Möglichkeiten des § 139 HGB keinen Gebrauch machen, hat der Bundesgerichtshof bereits mit Urteil vom 6. Juli 1981 (II ZR 38/81, ZIP 1981, 1088, 1089) für den Fall einer im Zeitpunkt der Rechtsnachfolge wegen Rückgangs des Geschäftsbetriebs nur noch als Gesellschaft bürgerlichen Rechts bestehenden, im Handelsregister aber noch als Handelsgesellschaft eingetragenen Gesellschaft entschieden. Die analoge Anwendung von § 130 HGB auf Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts entspricht seit der Entscheidung des erkennenden Senats vom 7. April 2003 (II ZR 56/02, BGHZ 154, 370 ff.) der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und wird insbesondere im Zusammenhang mit der quotalen Haftung von Gesellschaftern von Publikumsgesellschaften des bürgerlichen Rechts ständig bestätigt (vgl. nur zuletzt Urteil vom 17. April 2012 - II ZR 198/10, [...] Rn. 17 mwN).

In der Literatur ist es völlig herrschende Meinung, dass § 130 HGB auch auf Erben eines Gesellschafters einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts Anwendung findet, wobei diese Frage häufig noch nicht einmal ausdrücklich adressiert wird (Roth in Baumbach/Hopt, HGB, 36. Aufl., § 130 Rn. 3 f.; Hillmann in Ebenroth/Boujong/ Joost/Strohn, HGB, 2. Aufl., § 130 Rn. 2, 5; Staub/Habersack, HGB, 5. Aufl., § 130 Rn. 5, 10; MünchKommHGB/ K. Schmidt, 3. Aufl., § 130 Rn. 5, 14; Steitz in Henssler/ Strohn, 2. Aufl., § 130 HGB Rn. 2, 5; Haas in Röhricht/Graf v. Westphalen/Haas, HGB, 4. Aufl., § 130 Rn. 2, 5a; Oetker/Boesche, HGB, 3. Aufl., § 130 Rn. 2, 4; H.P. Westermann in Erman, BGB, 13. Aufl., § 727 Rn. 11; W. Schlüter in Erman, BGB, 13. Aufl., § 1922 Rn. 31; BeckOK/Schöne, Stand: 1. November 2013, § 714 Rn. 55; MünchKommBGB/Schäfer, 6. Aufl., § 714 Rn. 74 und § 727 Rn. 47; ders., NJW 2005, 3665, 3667; MünchKommBGB/Leipold, 6. Aufl., § 1922 Rn. 85; MünchKommBGB/Ann, 6. Aufl., § 2058 Rn. 17; Servatius in Henssler/Strohn, 2. Aufl., § 714 BGB Rn. 24; Ulmer, ZIP 2003, 1113, 1121; Mock, NZG 2004, 118 ff.).

bb) Streit besteht in der Literatur über die Frage, ob § 139 HGB, den das Berufungsgericht ebenfalls herangezogen hat, überhaupt und wenn ja in welcher Form auf den analog § 130 HGB haftenden Erben eines Gesellschafters einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts Anwendung findet (dafür: Staub/Habersack, HGB, 5. Aufl., § 130 Rn. 5; MünchKommHGB/K. Schmidt, 3. Aufl., § 139 Rn. 60; Oetker/Kamanabrou, HGB, 3. Aufl., § 139 Rn. 63; Lorz in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 2. Aufl., § 139 Rn. 98; BeckOK/Schöne, Stand: 1. November 2013, § 714 Rn. 55; Bamberger/ Roth/Schöne, BGB, 2. Aufl., § 727 Rn. 13; MünchKommBGB/Leipold, 6. Aufl., § 1922 Rn. 85; MünchKommBGB/Ann, 6. Aufl., § 2058 Rn. 17; Schäfer, NJW 2005, 1365, 1367 f.; Mock, NZG 2004, 118, 120; Ulmer, ZIP 2003, 1113, 1121; dagegen: Roth in Baumbach/Hopt, HGB, 36. Aufl., § 139 Rn. 8; MünchKommBGB/ Küpper, 6. Aufl., § 1967 Rn. 46, der - wohl - auch die Haftung bereits aus § 130 HGB ablehnt; zweifelnd Westermann in Westermann, HdB der Personengesellschaften (Stand 2012), Rn. 1283).

Der Meinungsstreit zu § 139 HGB verleiht dem vorliegenden Rechtsstreit jedoch mangels Entscheidungserheblichkeit keine grundsätzliche Bedeutung. Hält man mit dem Berufungsgericht und der wohl im Vordringen befindlichen Ansicht in der Literatur § 139 HGB für entsprechend anwendbar, würden die Beklagten hier haften, da sie von einem eventuellen Austrittsrecht keinen Gebrauch gemacht haben. Lehnt man eine Anwendung von § 139 HGB ab, bleibt es bei der nicht grundsätzlich klärungsbedürftigen Anwendbarkeit von § 130 HGB.

2. Die Revisionen der Beklagten zu 10, 14 und 15 haben auch keine Aussicht auf Erfolg.

a) Hinsichtlich des Begehrens der Beklagten zu 10, 14 und 15, gegen ihre Haftung analog §§ 128, 130 HGB Schadensersatzansprüche wegen Prospekthaftung im weiteren Sinn und arglistiger Täuschung gegenüber der Bank auch der Inanspruchnahme durch den Insolvenzverwalter entgegenhalten zu können, sind die Revisionen unzulässig, weil sie insoweit nicht zugelassen sind. Das Berufungsgericht hat die Revisionen nur beschränkt auf die Rechtsfrage der Haftung von Erben eines Gesellschafters einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts für Gesellschaftsschulden zugelassen. Die Zulassungsbeschränkung ergibt sich zwar nicht aus dem Tenor des Berufungsurteils. Von einer beschränkten Zulassung der Revision ist aber auszugehen, wenn die Zulassung wie hier - wegen einer bestimmten Rechtsfrage ausgesprochen wird, die lediglich für die Entscheidung über einen selbständigen Teil des Gesamtstreitstoffs erheblich sein kann (BGH, Beschluss vom 7. Dezember 2009 II ZR 63/08, ZIP 2010, 879 Rn. 4). Dies ist hier der Fall. Die Frage, ob Erben eines Gesellschafters einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts analog § 130 HGB für Gesellschaftsschulden haften, ist entscheidungserheblich nur im Zusammenhang mit dem Streit der Parteien darüber, ob die Beklagten überhaupt als Haftende in Betracht kommen. Ohne Belang ist die Beantwortung der Frage hingegen für einen eventuellen Wegfall einer grundsätzlich bestehenden Haftung der Erben wegen der von ihnen geltend gemachten Einwendungen nach § 129 HGB.

Die Beschränkung der Revisionszulassung ist auch wirksam. Insoweit reicht es aus, dass die Beklagten ihre Revisionsanträge selbst entsprechend beschränken könnten. Die Beklagten könnten die Entscheidung des Berufungsgerichts hinnehmen, dass ihnen keine Einwendungen analog § 129 HGB gegen ihre Haftung zustehen, und sich darauf beschränken, ihre Haftung lediglich grundsätzlich in Frage zu stellen.

b) Soweit die Revisionen zugelassen worden sind, haben sie keinen Erfolg.

Das Berufungsgericht hat unter zutreffender Heranziehung der Rechtsprechung des erkennenden Senats zur quotalen Haftung und der Rechtsprechung und der herrschenden Ansicht in der Literatur zur analogen Anwendung von § 130 HGB auf Erben eines Gesellschafters einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts fehlerfrei die Haftung der Beklagten zu 10, 14 und 15 aus §§ 128, 130 HGB bejaht. Dabei kommt es nicht darauf an, dass die Beklagten - wie die Revisionen meinen - als Rechtsnachfolger der jeweiligen Erblasser regelmäßig keine Kenntnis vom Inhalt des Fondsprospekts hätten nehmen können, weil Unterlagen über die Beteiligung beim Erbfall häufig nicht mehr vorhanden seien. Abgesehen davon, dass das Berufungsgericht schon keine Feststellungen dazu getroffen hat, dass die Beklagten keine Kenntnis vom Fondsprospekt hatten, entspricht es der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass ein Gesellschafter, der in eine Publikumsgesellschaft eintritt, auch ohne entsprechende gesellschaftsvertragliche Regelungen oder Prospektangaben damit rechnen muss, dass die zur Finanzierung des Objekts benötigten Kredite ganz oder teilweise aufgenommen worden sind (siehe nur BGH, Urteil vom 17. Oktober 2006 XI ZR 185/05, ZIP 2007, 169 Rn. 19; Urteil vom 19. Juli 2011 II ZR 300/08, ZIP 2011, 1657 Rn. 41). Das gilt in demselben Maße, wenn ein Erbe in eine Publikumsgesellschaft eintritt, zumal die Revision keinen Vortrag der Beklagten dahingehend aufzeigt, dass sie bei ihrem Eintritt in die Fondsgesellschaft von der Existenz der Darlehen nichts gewusst hätten.

Soweit die Revisionen die Ausführungen des Berufungsgerichts im Zusammenhang mit dem Neuabschluss des Darlehensvertrages Ende 2000 als revisionsrechtlich nicht haltbar beanstanden, ist diese Rüge unerheblich, weil die Parteien den Rechtsstreit hinsichtlich dieses Darlehens übereinstimmend für erledigt erklärt haben.

Die Frage, ob dem Berufungsgericht darin gefolgt werden sollte, dass die Regelung des § 139 HGB auf Erben eines Gesellschafters einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts entsprechend anzuwenden ist, kann dahingestellt bleiben, da sie nicht entscheidungserheblich ist (s.o. I, 1., b, bb).

II. Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten zu 8.

Die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten zu 8 wird zurückgewiesen, weil keiner der im Gesetz (§ 543 Abs. 2 ZPO) vorgesehenen Gründe vorliegt, nach denen der Senat die Revision zulassen darf. Der Rechtsstreit hat insoweit weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert er eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung. Der Senat hat die Verfahrensrügen geprüft und für nicht durchgreifend erachtet.