Abgrenzung Vermächtnisanordnung zur Teilungsanordnung

OLG Koblenz, Urteil vom 27.11.2013, 5 U 851/13
Leitsatz:
1. Ein Vermächtnis liegt vor, wenn nach dem Willen des Erblassers der Begünstigte einen Vermögensvorteil gegenüber den übrigen Miterben erhalten soll. Nur wenn ein solcher Begünstigungswille fehlt, handelt es sich um eine bloße Teilungsanordnung.

2. Dass der durch Berliner Testament gebundene Erblasser den mit einem Vermächtnis bedachten und zugleich mit Vermächtnissen beschwerten Erben in einer späteren testamentarischen Anordnung ergänzend beschwert (hier: mit einem Wohnrecht zu Gunsten der Lebensgefährtin des Erblassers), schmälert die Ansprüche der übrigen Vermächtnisnehmer nicht, wenn ungeachtet der Unwirksamkeit der Wohnrechtsbestellung (§ 2271 BGB) auch keinerlei Anhalt für einen entsprechenden Willen des Testierenden besteht.

Tatbestand:

Die Klägerinnen zu 1. und zu 2. sowie der Beklagte streiten über den Nachlass des gemeinsamen Vaters Egon G., der am 13.8.2011 verstarb. Egon G. hatte am 3.7.1998 – in insoweit autorisierter Änderung eines am 12.3.1984 mit seiner damaligen Ehefrau errichteten Berliner Testaments – seine fünf Kinder zu gleichen Teilen als Erben eingesetzt. Dem Beklagten wandte er „im Voraus und ohne Anrechnung auf das Erbrecht“ sein Hausanwesen samt Mobiliar und seinen Pkw zu. Dafür sollte der Beklagte an seine Geschwister sechs Monate nach Eintritt des Erbfalls jeweils 15.000 DM zahlen. Der Umfang dieser Verpflichtung sollte sich nach Maßgabe des Lebenshaltungsindex verändern. In einer weiteren letztwilligen Verfügung vom 15.3.2010 schränkte Egon G. die Berechtigung des Beklagten hinsichtlich des Hausinventars und des Fahrzeugs zugunsten einer seiner Töchter ein und begründete für seine Lebensgefährtin ein Wohnrecht an der Immobilie sowie deren Inventar.

Der Nachlass Egon G’s erschöpfte sich in den vorgenannten Dingen und in einem Sparguthaben, das die Klägerinnen mit 2.040,19 € beziffert haben. Im vorliegenden Rechtsstreit haben sie davon jeweils 1/5 für sich reklamiert und den Beklagten außerdem – gestützt auf die testamentarische Regelung vom 3.7.1998, die als Aussetzung von Vermächtnissen zu ihren Gunsten zu begreifen sei – in Umrechnung und Anpassung des dort genannten Betrags von 15.000 DM jeweils auf 9.324,43 € in Anspruch genommen. Darüber hinaus haben sie vorgerichtliche Anwaltskosten von 833,88 € eingefordert. Der Beklagte hat eingewandt, dass Egon G. am 3.7.1998 lediglich eine Teilungsanordnung getroffen oder allenfalls Auflagen gemacht habe. Im Übrigen sei der Nachlass überschuldet gewesen. Das mache ihm eine Leistung unmöglich. Das Landgericht hat den Beklagten unter dem Vorbehalt der beschränkten Erbenhaftung antragsgemäß verurteilt. Die gegen ihn geltend gemachten Ansprüche stünden in ihrer Höhe nicht infrage.

Das greift der Beklagte mit der Berufung an und erstrebt die Abweisung der Klage. Er stellt Zahlungsansprüche der Klägerinnen in Abrede, da sie nur durch eine Auflage begünstigt worden seien. Zudem könne er frühestens dann zu Leistungen herangezogen werden, wenn das Wohnrecht für die Lebensgefährtin Egon G’s erloschen sei. Dessen Wille sei dahin gegangen, ihn nur zu belasten, falls ihm das Hausanwesen uneingeschränkt zur Verfügung stehe. Demgegenüber verteidigen die Klägerinnen das angefochtene Urteil.

 

Gründe:

Das Rechtsmittel führt zur sachlichen Änderung der erstinstanzlichen Entscheidung insoweit, als der Beklagte zur Auskehrung von jeweils 1/5 des im Nachlass befindlichen Sparkassenguthabens an die Klägerinnen verurteilt worden ist. Im Übrigen scheitert es.

1. Dem Landgericht ist darin zu folgen, dass der Beklagte jeder der Klägerinnen auf der Grundlage des Testaments vom 3.7.1998 einen indexierten Betrag von 15.000 DM schuldet, der im Hinblick auf die zwischenzeitlich angestiegenen Lebenshaltungskosten jetzt unstreitig auf 9.324,43 € angewachsen ist. Zugunsten der Klägerinnen wurden insoweit anspruchsbegründende (§ 2174 BGB) Vermächtnisse ausgesetzt. Damit wurde der Beklagte im Gegenzug dazu beschwert, dass ihm seinerseits das Hausgrundstücks Egon G’s samt Inventar vermacht wurde (§ 2147 S. 1 BGB).

Die in diesem Zusammenhang verwandte Formulierung, dies geschehe „im Voraus und ohne Anrechnung auf das Erbrecht“, macht deutlich, dass die Regelung vom Erbe abgekoppelt wurde. Mithin ließ sie sich entgegen der Auffassung des Beklagten nicht als eine Teilungsanordnung begreifen. Die Belastung des Beklagten beschränkte sich auch nicht auf eine bloße Auflage. Seinem Anspruch auf das Hausgrundstück wurde ein Forderungsrecht der Geschwister gegenübergestellt, die als „Herauszahlungsberechtigte“ bezeichnet wurden. Hätten sie keinen persönlichen Anspruch haben sollen, wäre eine andere Wortwahl getroffen worden; das Testament vom 3.7.1998 wurde vor einem Notar errichtet.

a) Der Umstand, dass Egon G. im Testament vom 15.3.2010 für seine Lebensgefährtin ein Nutzungsrecht an der dem Beklagten vermachten Immobilie und deren Inventar vorsah, schränkt die Vermächtnisansprüche der Klägerinnen nicht ein. Eine Auslegung der letztwilligen Verfügung vom 3.7.1998 dahin, dass sich die streitigen Zahlungspflichten des Beklagten angesichts des am 15.3.2010 angeordneten Nutzungsrechts verringern oder bis zu dessen Erlöschen gestundet sein sollten, kommt nicht in Betracht. Denn das hätte in den – dem Formzwang des § 2231 BGB unterworfenen – Äußerungen des Erblassers Anklang finden müssen (BGHZ 80, 242; BGHZ 86, 41). Außerdem ist zu berücksichtigen, dass Egon G. bei der Errichtung des Testaments vom 15.3.2010 eingangs auf seine Verfügungen vom 3.7.1998 Bezug nahm und erklärte, diese nur insoweit ändern zu wollen, wie er es nachfolgend niederlegte. Dabei erwähnte er nicht, dass die Verpflichtungen des Beklagten nunmehr zu relativieren seien; stattdessen erklärte er ausdrücklich: „Die Auszahlungsverpflichtung bleibt unverändert bestehen.“ Das spricht nachdrücklich gegen eine Willensrichtung, wie sie die Berufung zur Abwehr der eingeklagten Ansprüche behauptet.

Wenn der Beklagte die Pflichten, die an das ihm gewährte Vermächtnis geknüpft waren, für nicht hinnehmbar erachtete, hätte er ihnen ohne Weiteres durch dessen Ausschlagung entgehen können (§ 2180 BGB). Davon hat er indessen keinen Gebrauch gemacht.

b) Vor diesem Hintergrund kommt es nicht mehr entscheidend darauf an, ob Egon G. überhaupt dazu in der Lage war, seine Lebensgefährtin aus dem Nachlass zu begünstigen und den Beklagten auf diese Weise zu beschweren. Gegen eine solche Befugnis spricht, dass er in dem Berliner Testament vom 12.3.1994 die Erbfolge nach seiner Person zum Gegenstand wechselbezüglicher Verfügungen gemacht hatte. Änderungen waren ihm nur insoweit gestattet worden, als Abkömmlinge bedacht wurden. Damit war die testamentarische Aussetzung eines Nutzungsrechts für die Lebensgefährtin nur über einen Widerruf des Testaments vom 12.3.1984 möglich, den Egon G. zu Lebzeiten seiner damaligen Frau dieser gegenüber gemäß § 2296 zu erklären hatte (§ 2271 Abs. 1 S. 1 BGB) und danach grundsätzlich allein unter Ausschlagung der von ihm selbst empfangenen Zuwendungen vornehmen konnte (§ 2271 Abs. 2 S. 1 BGB). Dass dies geschehen wäre, ist weder behauptet noch sonst ersichtlich.

c) Die nach alledem in Höhe von jeweils 9.324,43 € bestehenden Zahlungsansprüche der Klägerinnen sind im Hinblick auf deren verzugsbegründende Mahnung vom 15.2.2012 antragsgemäß seit dem 23.2.2012 zu verzinsen (§ 288 Abs. 1 BGB).

2. Die Verurteilung des Beklagten zur Leistung weiterer Beträge im Umfang von je 1/5 des von Egon G. hinterlassenen Sparkassenguthabens hat keinen Bestand. Insoweit haben die Klägerinnen keine Forderungsberechtigung. Allerdings dürfen sie an den zum Nachlass gehörenden Geldern teilhaben. Aber dazu sind sie lediglich als Miterben befugt, ohne dass ein besonderer Leistungsanspruch gegen den Beklagten bestünde. Sie müssen ihre Rechte im Rahmen der durch das Testament vom 3.7.1998 begründeten geschwisterlichen Erbengemeinschaft im Wege der Auseinandersetzung (§ 2042 BGB) suchen, an der alle Beteiligten gleichrangig mitzuwirken haben.

3. An der vom Landgericht ausgesprochenen Verurteilung des Beklagten, die mit 833,88 € bezifferten vorprozessualen Anwaltskosten der Klägerinnen nebst Rechtshängigkeitszinsen (§ 696 Abs. 3 ZPO, § 291 BGB) auszugleichen, ist festzuhalten. Insoweit ergibt sich eine Schadensersatzhaftung aus den §§ 280 Abs. 1, 286 Abs. 1 und 2 Nr. 2 BGB. Danach kam der Beklagte sechs Monate nach dem Tod Egon G.’s, mithin am 13.2.2012, mit der Erfüllung der Vermächtnisansprüche der Klägerinnen von in der Summe 18.648,86 € in Verzug, bevor diese anwaltliche Hilfe heranzogen. Der Gegenstandswert rechtfertigt ein Honorar, das über den erstinstanzlich zuerkannten Betrag hinausgeht. (…)