Ersatzerbenberufung des Ehegatten im Fall des Vorversterbens

Die Erblasserin verstarb am 21.9.2009 im Alter von 88 Jahren. Sie war verheiratet mit A. O. S., der am 18.8.1988 vorverstorben ist. Aus der Ehe ging V. S. hervor, der am 23.4.1970 ohne Hinterlassung von Abkömmlingen vorverstarb. Es liegen folgende eigenhändig geschriebene und unterschriebene letztwillige Verfügungen der Erblasserin vor:



1.
„München, 10.12.2004
Mein letzter Wille
Sollte ich einmal krank werden ist Frau S.
(= Ehefrau des Beteiligten zu 1) berechtigt,
sich um alles zu kümmern, nach meinem Tod
setze alles als meine Erben. Frau S.
Unterschrift
Die Haushaltsgegenstände und mein Bankguthaben
vermache ich ebenfalls Frau S.
Unterschrift.“
2.
„München 10.2.2009
Mein letzter Wille
Sollte ich einmal krank werden, ist Frau S. (Adresse)
berechtig sich um alles zu kümmern.
Nach meinem Tod setzte ich als meinen Erben
Frau F. S. ein.
Die Haushalt(…) Gegenstände und mein Bankguthaben
vermache ich ebenfalls Frau S.
Unterschrift“

Am 14.1.2010 beantragte die Beteiligte zu 2 unter Berufung auf die beiden Testamente der Erblasserin einen Erbschein, der sie als Alleinerbin ausweist. Sie war dabei der Auffassung, dass sie als Ersatzerbin nach ihrer am 15.5.2009 vorverstorbenen Mutter (F. S.) in Anwendung des Rechtsgedanken des § 2069 BGB berufen sei. Ihre Mutter habe der Erblasserin seit vielen Jahren als Betreuerin in jeglichen Angelegenheiten und Freundin sehr nahe gestanden. Ihre Mutter sei für die Erblasserin wie eine Familienangehörige gewesen. Ihre Mutter habe auch schon den Ehemann der Erblasserin gepflegt und ihm versprochen, seiner Frau – der Erblasserin – immer zur Seite zu stehen, wodurch sich eine enge Verbundenheit entwickelt habe. Ihr Vater habe sich seit Jahren schon um die finanziellen Angelegenheiten der Erblasserin gekümmert. Mit Schreiben vom 18.5.2012 nahm die Beteiligte zu 2 ihren Erbscheinsantrag zurück.

Am 18.5.2012 stellte der Beteiligte zu 1 unter Berufung auf die beiden Testamente einen Antrag auf Erteilung eines Alleinerbscheins. Er ist dabei der Meinung, dass er als testamentarischer Ersatzerbe in Betracht komme, da er sich zusammen mit seiner Frau zu deren Lebzeiten um die Erblasserin, insbesondere die finanziellen Angelegenheiten, bzw. nach dem Tod seiner Frau um alle Angelegenheiten der Erblasserin gekümmert habe. Der Beteiligte zu 3 ist demgegenüber der Meinung, dass die gesetzliche Erbfolge eingetreten sei. Die Erblasserin sei wohl im Februar 2009 nicht mehr testierfähig gewesen, gegebenenfalls sei die Testierfähigkeit der Erblasserin auch für Dezember 2004 zu überprüfen. Im Testament der Erblasserin finde sich weder eine Ersatzerbenregelung zugunsten des Beteiligten zu 1 noch ein Anhaltspunkt für eine Ersatzbegünstigung des Beteiligten zu 1.

Mit Beschluss vom 6.9.2012 bewilligte das Nachlassgericht den von dem Beteiligten zu 1 beantragten Alleinerbschein. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Beteiligten zu 3.

OLG München, Beschluss v. 19.12.2012, 31 Wx 372/12
Der Beschluss:
Die zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg. Zu Unrecht ist das Nachlassgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass der Beteiligte zu 1 im Wege der ergänzenden Testamentsauslegung Ersatzerbe seiner vorverstorbenen Ehefrau sei.

1. Die ergänzende Testamentsauslegung setzt voraus, dass eine planwidrige Regelungslücke im Testament vorliegt, die durch den festgestellten Willen des Erblassers zu schließen ist. Dabei muss aus dem Gesamtbild des Testaments selbst eine Willensrichtung des Erblassers erkennbar sein, die tatsächlich in Richtung der vorgesehenen Ergänzung geht. Durch sie darf also kein Wille in das Testament hineingetragen werden, der darin nicht andeutungsweise ausgedrückt ist (vgl. Palandt/Weidlich BGB 72. Aufl. 2013, § 2084 Rn 9).

a) Zutreffend hat das Nachlassgericht erkannt, dass nicht feststeht, ob die Erblasserin zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung an die Möglichkeit eines vorzeitigen Wegfalls des eingesetzten Erben tatsächlich gedacht hat und was sie für diesen Fall tatsächlich gewollt hätte.
b) Unabhängig von der Ermittlung des Erblasserwillens ist die Beschwerde aber bereits deswegen im Ergebnis begründet, weil der vom Nachlassgericht angenommene Wille der Erblasserin zur Ersatzerbenberufung jedenfalls nicht den erforderlichen Niederschlag im Testament gefunden hat.

Während in den von § 2069 BGB unmittelbar erfassten Fällen nach dem Willen des Gesetzgebers im Zweifel schon die bloße Einsetzung des Bedachten zugleich als Ausdruck der Ersatzberufung seiner Abkömmlinge zu werten ist und dies nach der Rechtsprechung auch dann gilt, wenn es sich bei dem Bedachten um eine mit dem Erblasser nahe verwandte oder verschwägerte Person handelt (OLG Hamm NJW-RR 1987, 648 – 649 – unter Bezugnahme auf OLG Hamm, FamRZ 1976, 552 – 554 – mwN), kann die bloße Einsetzung des Bedachten in allen anderen Fällen noch nicht zugleich als hinreichender Ausdruck der Ersatzberufung seiner Abkömmlinge oder des Ehegatten gewürdigt werden. Denn nur in den zuerst genannten Fällen liegt die Möglichkeit nahe, dass der Erblasser die Zuwendung nicht nur der von ihm bezeichneten Person hat machen, sondern diese Person lediglich als die Erste ihres Stammes hat einsetzen wollen. Davon unterscheidet sich die Sachlage erheblich, wenn der im Testament Bedachte weder ein Abkömmling noch sonst durch enge Verwandtschaft, Schwägerschaft oder die Ehe mit dem Erblasser verbunden ist. Dann liegt die Annahme nahe, dass der Erblasser den Bedachten nicht lediglich als den Ersten seines Stammes, sondern um der engen persönlichen Beziehungen willen als Erben eingesetzt hat.

Dies gilt auch im vorliegenden Fall. Der Ehefrau des Beteiligten zu 1 war weder ein Abkömmling noch sonst ein naher Angehöriger der Erblasserin. Verbunden war sie mit ihr durch enge persönliche Beziehungen, weil sie sich seit vielen Jahren um die Erblasserin gekümmert hatte. Da die Erbeinsetzung sich mithin auch als eine Belohnung für eine lang andauernde persönliche Betreuungstätigkeit darstellt, lässt sich in dieser allein noch kein Hinweis auf die Ersatzberufung von Angehörigen des Bedachten erkennen. Eine dahingehende Andeutung findet sich im Testament nicht. Deshalb kann nicht angenommen werden, die Erblasserin habe ihren ganzen, der Ehefrau des Beteiligten zu 1 zugedachten Nachlass im Falle ihres Vorversterbens in gleicher Weise derjenigen Person oder denjenigen Personen zuwenden wollen, die ihr ebenfalls eine gewisse Betreuung, sei es auch nur in geringerem Umfange, hatten zuteilwerden lassen. Für diese Erwägung spricht auch die Tatsache, dass die Erblasserin den Beteiligten zu 1 in ihrem Testament mit keiner Zuwendung bedacht hat, obwohl er sich nach eigenen Angaben viele Jahre lang um ihre finanziellen Angelegenheiten gekümmert hat. Dem Testament lässt sich auch kein Anhaltspunkt dafür entnehmen, dass die Tätigkeit einer anderen Person als der Bedachten die Berufung zum Ersatzerben begründen sollte.

c) Fehlt es – wie hier – in dem Testament an der erforderlichen hinreichenden Andeutung für eine Ersatzerbenberufung des Beteiligten zu 1, sind außerhalb des Testaments liegende Umstände, die einen Rückschluss auf die Willensrichtung der Erblasserin zuließen (z. B. die Erwägungen des Beteiligten zu 1 in seinem Schriftsatz vom 30.11.2012), nicht mehr von Bedeutung (vgl. auch OLG Hamm aaO).

2. Eine Kostenentscheidung ist nicht geboten. Das Verfahren der Beschwerde ist gerichtsgebührenfrei (§ 131 Abs. 3 KostO). Von der Anordnung der Kostenerstattung hat der Senat abgesehen (§ 81 FamFG). (…) Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor.