Unwirksamkeit einer Klausel zur Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung im Fall von Sondertilgungsrechten

OLG Oldenburg, Urteil v. 04.07.2014, 6 U 236/13
1. Eine Klausel in einem Darlehensvertrag zwischen einem Kreditinstitut und einem Verbraucher, die vorsieht, dass im Fall der vorzeitigen Rückzahlung des Darlehens zukünftige Sondertilgungsrechte bei der Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung unberücksichtigt bleiben, stellt eine unangemessene Benachteiligung dar, § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB. (redaktioneller Leitsatz)

Gründe:
I. Der Kläger, eine in die Liste nach § 4 Abs. 1 Satz 1 UKlaG eingetragene qualifizierte Einrichtung, begehrt von der Beklagten die Unterlassung der Verwendung einer bestimmten Vertragsklausel. Die Beklagte ist ein Kreditinstitut und vergibt u.a. grundpfandrechtlich gesicherte Darlehen an Verbraucher, in denen den Darlehensnehmern teilweise Sondertilgungsrechte innerhalb des Zinsfestschreibungszeitraums eingeräumt werden. In diesen Fällen ist im Darlehensvertrag unter „Besondere Vereinbarungen“ geregelt: „Zukünftige Sondertilgungsrechte werden im Rahmen vorzeitiger Darlehensvollrückzahlung bei der Berechnung von Vorfälligkeitszinsen nicht berücksichtigt.“

Der Kläger hält die Klausel für unwirksam und hat die Beklagte erfolglos aufgefordert, bis zum 26.6.2013 eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben, in der sie sich verpflichtet, diese zukünftig nicht mehr zu verwenden und die Kosten der Abmahnung von 214 € zu übernehmen.

Die 3. Zivilkammer des LG Aurich hat die Klage mit am 8.11.2013 verkündetem Urteil abgewiesen.

II. Die zulässige Berufung des Klägers hat auch in der Sache ganz überwiegend Erfolg. Dem Kläger steht gegen die Beklagte der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gem. §§ 1, 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 4 UKlaG i.V. m. § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB zu.

Nach § 1 UKlaG kann auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wer in AGB Bestimmungen, die nach den §§ 307 bis 309 BGB unwirksam sind, verwendet. Der Kläger ist als qualifizierte Einrichtung i. S. v. § 4 UKlaG zur Geltendmachung dieser Ansprüche gem. § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 4 UKlaG aktivlegitimiert.

1. Es handelt sich bei der streitgegenständlichen Klausel um eine AGB i. S. v. § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB, d.h. um eine für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingung, die eine Vertragspartei – hier: die Beklagte – der anderen Vertragspartei – hier: ihren Kunden – bei Abschluss eines Vertrags stellt.

Dass die streitgegenständliche Klausel gem. § 305 Abs. 2 BGB Bestandteil des Darlehensvertrags geworden ist, steht außer Zweifel.

2. Die streitgegenständliche Klausel unterliegt – entgegen der Ansicht der Beklagten – auch einer Inhaltskontrolle gem. § 307 Abs. 1 und 2 BGB.

§ 307 Abs. 3 Satz 1 BGB entzieht deklaratorische Klauseln und solche, die nur der Leistungsbeschreibung dienen, der Inhaltskontrolle. Regelungen, die unmittelbar den Gegenstand der Hauptleistung (Art, Umfang und Güte der geschuldeten Leistung) betreffen oder die zu zahlende Gegenleistung bzw. das zu zahlende Entgelt unmittelbar festlegen oder auch indirekt dadurch bestimmen bzw. zumindest bestimmbar machen, dass die für die Findung maßgeblichen Faktoren festgelegt werden, sind danach der Inhaltskontrolle entzogen (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 73. Aufl., 2014, § 307 Rz. 41). Die § 305 Abs. 2, § 305b und § 305c Abs. 1 BGB sowie das Transparenzgebot nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB sind gem. § 307 Abs. 3 Satz 2 BGB hingegen auf solche Klauseln anwendbar. Der Inhaltskontrolle unterliegen gem. § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB mithin nur solche Klauseln, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder ergänzende Regelungen vereinbart werden, d.h. die das Hauptleistungsversprechen einschränken, verändern, ausgestalten oder modifizieren (st. Rspr.; vgl. BGH ZIP 2012, 2489 = NJW 2013, 995 m.w. N., dazu EWiR 2013, 95 (Metz)).

Die vorliegend beanstandete Klausel regelt die Berechnung bzw. die Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung bei einer vorzeitigen Darlehensvollrückzahlung. Es handelt sich demzufolge nicht um eine Klausel, durch die im Rahmen eines zwischen den Parteien geschlossenen Darlehensvertrags die Höhe des Entgelts einer vertraglichen Hauptleistung oder für eine zusätzlich angebotene Sonderleistung, zu der keine rechtliche/gesetzliche Verpflichtung besteht, geregelt wird. Denn bei der Pflicht zur Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung im Falle einer vorzeitigen Darlehensvollrückzahlung handelt es sich nicht um eine originäre (Hervorhebung des Gerichts) Hauptleistungspflicht des Darlehensnehmers aus dem Darlehensvertrag. Originäre Hauptleistungspflichten des Darlehensnehmers sind gem. § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB die Abnahme der Darlehensvaluta, die Rückführung des fälligen Darlehens sowie die Zahlung des geschuldeten Zinses (vgl. BGH ZIP 2011, 1299 = NJW 2011, 2640, m.w. N., dazu EWiR 2011, 453 (Bunte); Palandt/Weidenkaff, BGB, 73. Aufl., 2014, § 488 Rz. 14). Zahlt der Darlehensnehmer das Darlehen nach einer außerordentlichen Kündigung gem. § 490 Abs. 2 BGB vorzeitig zurück, so entfällt für die Zukunft seine Pflicht zur Zahlung dieses vereinbarten und geschuldeten Zinses, der die Vergütung für den Gebrauch eines auf Zeit überlassenen Kapitals darstellt (vgl. BGH NJW 1979, 540; BGH NJW-RR 1992, 591). Um den Nachteil auszugleichen, den der Darlehensgeber durch den Wegfall des Zinsanspruchs im Falle einer vorzeitigen Darlehensvollrückzahlung erleidet, sieht das Gesetz in § 490 Abs. 2 Satz 3 BGB die Pflicht des Darlehensnehmers zur Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung vor.

Die streitgegenständliche Klausel betrifft diese bei vorzeitiger Kündigung entstehende Vorfälligkeitsentschädigung und bezieht sich nicht auf Fälle einvernehmlicher Vertragsaufhebung, in denen ein vereinbartes Entgelt in gewisser Höhe gewissermaßen als „Preis“ der Bank für den Abschluss des Aufhebungsvertrags anzusehen ist (vgl. OLG Frankfurt/M. ZIP 2013, 1160 = WM 2013, 1351, dazu EWiR 2013, 505 (Schelske)). Die vorliegend beanstandete Klausel hat die Berechnung der Höhe einer gesetzlich begründeten Verpflichtung – nämlich der Vorfälligkeitsentschädigung nach § 490 Abs. 2 Satz 3 BGB – zum Gegenstand. Die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung dient der Bezifferung der dem Kreditinstitut im Falle der vorzeitigen Beendigung eines Darlehensvertrags zustehenden Entschädigung (vgl. OLG Frankfurt/M. ZIP 2013, 1160 = WM 2013, 1351).

Unabhängig davon, wie der Anspruch des Darlehensgebers gegen den Darlehensnehmer nach § 490 Abs. 2 Satz 3 BGB dogmatisch einzuordnen ist, sei es als ein darlehensvertraglicher modifizierter Vertragserfüllungsanspruch (so BGHZ 136, 161 = ZIP 1997, 1641, dazu EWiR 1997, 921 (Medicus); Staudinger/Mülbert, BGB, 2011, § 490 Rz. 83 ff. und das LG in dem angefochtenen Urteil), also modifizierter Zinsanspruch (Jauernig/Berger, BGB, 15. Aufl., 2014, § 490 Rz. 11), Aufopferungsentschädigung (MünchKomm-Berger, BGB, 6. Aufl., 2012, § 490 Rz. 34) oder als ein gesetzlicher Schadensersatzanspruch (so ausdrücklich OLG Frankfurt/M. ZIP 2013, 1160 = WM 2013, 1351; so wohl auch Palandt/Weidenkaff, a. a. O., § 490 Rz. 8), handelt es sich jedenfalls nicht um eine unmittelbar (Hervorhebung des Gerichts) den Gegenstand des Darlehensvertrags betreffende Haupt- bzw. Gegenleistung oder betreffendes Entgelt (vgl. BGH ZIP 1997, 1646 = NJW 1997, 2878, dazu EWiR 1997, 923 (Metz); Staudinger/Mülbert, a. a. O., § 490 Rz. 86 f.). Eine Haupt- bzw. Primärleistung des Darlehensvertrags kann die Vorfälligkeitsentschädigung nach Ansicht des Senats schon deshalb nicht sein, da nach einer außerordentlichen Kündigung gem. § 490 Abs. 2 BGB der Darlehensvertrag (in seiner ursprünglichen Form) hinfällig bzw. beendet ist und nicht mehr besteht.

Eine klauselhafte Regelung der Vorfälligkeitsentschädigung ist demzufolge gem. § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB kontrollfähig und unterliegt gem. § 307 Abs. 1 und Abs. 2 BGB einer Inhaltskontrolle (vgl. Staudinger/Mülbert, a. a. O., § 490 Rz. 107; OLG Frankfurt/M. ZIP 2013, 1160 = WM 2013, 1351; BGH NJW-RR 1999, 842, in welcher Regelungen in AGB über die Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung bei vorzeitiger Darlehensbeendigung einer Prüfung nach dem AGBG unterzogen wurden).

3. Die streitgegenständliche Klausel ist weder gem. § 309 Nr. 5, § 309 Nr. 6 noch § 308 Nr. 7 BGB unwirksam.

a) Nach § 309 Nr. 5 BGB ist die Vereinbarung eines pauschalierten Anspruchs des Verwenders auf Schadensersatz unwirksam, wenn die Pauschale den in den geregelten Fällen nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwartenden Schaden oder die gewöhnlich eintretende Wertminderung übersteigt oder dem anderen Vertragsteil nicht ausdrücklich der Nachweis gestattet wird, ein Schaden oder eine Wertminderung sei überhaupt nicht eingetreten oder wesentlich niedriger als die Pauschale.

Die beanstandete Klausel sieht eine solche konkrete Schadenspauschalierung, d.h. eine antizipierte Schadensschätzung bzw. Vorabfixierung, z.B. in Form eines festen Betrags oder eines Prozentsatzes, indes nicht vor.

b) Nach § 309 Nr. 6 BGB ist eine Bestimmung, durch die dem Verwender für den Fall, dass der andere Vertragsteil sich vom Vertrag löst, die Zahlung einer Vertragsstrafe versprochen wird, unwirksam.

Vorliegend ergeben sich weder Anhaltspunkte aus dem Wortlaut noch nach dem Sinn und Zweck der Regelung dafür, dass die streitgegenständliche Klausel eine solche Vertragsstrafe darstellen soll, die die Erfüllung der vertraglich geschuldeten Leistung sichern und auf den Vertragspartner einen möglichst wirkungsvollen Druck ausüben soll, die übernommenen Pflichten ordnungsgemäß einzuhalten, was für das Vorliegen einer Vertragsstrafe sprechen würden. Die Klausel soll vielmehr als Grundlage der Berechnung eines Anspruchs auf Vorfälligkeitsentschädigung dienen.

c) Nach § 308 Nr. 7 BGB ist eine Bestimmung, nach der der Verwender für den Fall, dass eine Vertragspartei den Vertrag kündigt, eine unangemessen hohe Vergütung für die Nutzung oder den Gebrauch einer Sache oder eines Rechts oder für erbrachte Leistungen oder einen unangemessen hohen Ersatz von Aufwendungen verlangen kann, unwirksam.

Die streitgegenständliche Klausel behandelt hingegen weder Vergütungen (d.h. Entgelte für die Nutzung von Sachen oder Rechten sowie die Erbringung von Leistungen), erbrachte Leistungen (d.h. infolge des Vertrags vom Verwender bereits tatsächlich vorgenommene Vermögensmehrungen, die entweder von der Verwendergegenseite im Hinblick auf die vorzeitige Beendigung des Vertrags zurückgewährt werden müssen oder die – weil eine Rückgewähr nicht möglich oder nicht gewünscht ist – von ihr ersetzt werden sollen), noch Aufwendungen (d.h. die für eine Sache oder zur Erledigung einer Angelegenheit freiwillig übernommenen Kosten).

4. Die streitgegenständliche Klausel stellt jedoch eine unangemessene Benachteiligung gem. § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB dar.

Nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB ist eine unangemessene Benachteiligung im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist. Dies ist vorliegend der Fall. Denn die Klausel weicht von den allgemein anerkannten Grundsätzen der Schadensberechnung gem. §§ 249 ff. BGB ab.

Nach § 490 Abs. 2 Satz 3 BGB ist unter der Vorfälligkeitsentschädigung derjenige „Schaden“ zu verstehen, der dem Darlehensgeber aus der vorzeitigen Kündigung des Darlehensvertrags durch den Darlehensnehmer entsteht. Für die Berechnung dieses finanziellen Nachteils, der dem Darlehensgeber durch die spätere vorzeitige Ablösung eines Darlehens entsteht, gilt dabei nach ganz herrschender Meinung in der Rechtsprechung und im Schrifttum im Grundsatz dasselbe wie für die Berechnung des Nichterfüllungsschadens in Fällen eines anfänglichen Scheiterns des Darlehensvertrags durch Nichtabnahme des Kredits, also die Berechnung nach Schadensersatzgrundsätzen (vgl. BGHZ 136, 161 = ZIP 1997, 1641; BGHZ 146, 5 = ZIP 2001, 20, dazu EWiR 2001, 107 (Rösler); MünchKomm-Berger, a. a. O., § 490 Rz. 34; Palandt/Weidenkaff, a. a. O., § 490 Rz. 8; Staudinger/Mülbert, a. a. O., § 490 Rz. 90; Jauernig/Berger, a. a. O., § 490 Rz. 11).

Nach § 490 Abs. 2 Satz 3 BGB (i.V. m. den Grundsätzen des Schadensersatzrechts) sind insbesondere Zinsmargen- und Zinsverschlechterungsschäden für den Zeitraum der rechtlich geschützten Zinserwartung des Darlehensgebers erstattungsfähig (vgl. Staudinger/Mülbert, a. a. O., § 490 Rz. 92). Betroffen sind also Zinsen, welche bis zur ordnungsgemäßen Vertragsbeendigung aufgelaufen wären bzw. finanzielle Nachteile für den Zeitraum, für den der Darlehensgeber aufgrund der vertraglichen Vereinbarungen und der gesetzlichen Regelungen auf die Fortsetzung des Vertrags und damit auf die Zahlung der vereinbarten Zinsen durch den Darlehensnehmer vertrauen durfte (vgl. Staudinger/Mülbert, a. a. O., § 490 Rz. 92; MünchKomm-Berger, a. a. O., § 490 Rz. 35, § 488 Rz. 70).

Die übliche, rechtlich geschützte Zinserwartung des Darlehensgebers besteht – wie vorliegend – bei einem Darlehensvertrag mit gebundenem Sollzinssatz bis zu dem Zeitpunkt, in dem der Darlehensnehmer nach dem Vertrag zur Rückzahlung verpflichtet ist, oder nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB mit Ablauf von zehn Jahren nach dem vollständigen Empfang des Darlehens, wenn der Zeitpunkt, in dem der Darlehensnehmer den Vertrag ganz oder teilweise hätte ordentlich kündigen können, früher liegt als die vereinbarte Fälligkeit (vgl. Staudinger/Mülbert, a. a. O., § 490 Rz. 92). Für die Zukunft vereinbarte Sondertilgungsrechte verkürzen diese geschützte Zinserwartung der Bank – hier: der Beklagten (vgl. MünchKomm-Berger, a. a. O., § 488 Rz. 52, 70, § 490 Rz. 35). Dem steht nicht entgegen, dass die Beklagte überhaupt Sondertilgungsrechte eingeräumt hat. Denn damit hat sie sich bereits beim Abschluss des Darlehensvertrags einer Zinserwartung freiwillig begeben (vgl. MünchKomm-Berger, a. a. O., § 488 Rz. 52, 70, § 490 Rz. 35).

Dies gilt unabhängig davon, dass ein Anspruch auf Vorfälligkeitsentschädigung gem. § 490 Abs. 2 BGB erst dann entsteht, wenn eine außerordentliche Kündigung ausgesprochen worden und damit der ursprüngliche Darlehensvertrag nebst einer darin enthaltenden Vereinbarung über Sondertilgungsleistungen hinfällig geworden und beendet ist, womit grundsätzlich auch die Verpflichtung, Sondertilgungen zu erbringen, entfällt. Insofern spielt es auch keine Rolle, ob – wie die Beklagte meint – die beanstandete Klausel als Bestimmung einer auflösenden Bedingung i. S. v. § 158 Abs. 2 BGB dahin gehend auszulegen sei, dass im Fall der vorzeitigen Kündigung des Darlehens die eingeräumte Sondertilgungsmöglichkeit endet bzw. wegfällt. Denn dies ergibt sich schon aus den gesetzlichen Regelungen. Es kommt vielmehr darauf an, dass zunächst nach dem Darlehensvertrag die Möglichkeit und das Recht bestanden haben, bis zum Ende der Vertragslaufzeit Sondertilgungen zu leisten, die die geschützte Zinserwartung verkürzen. Die Formulierung in der Klausel, dass „zukünftige Sondertilgungsrechte“ „nicht berücksichtigt“ werden und nicht etwa „zukünftig mögliche Sondertilgungsleistungen entfallen“ (Hervorhebungen des Gerichts), belegt dies. Es geht nicht darum, dass eine Sondertilgungsmöglichkeit bei einer vorzeitigen Darlehensrückzahlung wegfällt, sondern dass die ursprünglich für die Zukunft bestehenden Sondertilgungsrechte bei der Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung keine Berücksichtigung (mehr) finden sollen.

Da sich der Darlehensgeber für den betreffenden Betrag vorab freiwillig der Zinserwartung begeben hat, indem er dem Darlehensnehmer Sondertilgungsrechte eingeräumt hat, sind diese in Anbetracht der allgemein anerkannten Grundsätze der Schadensberechnung gem. der §§ 249 ff. BGB bei der Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung demnach grundsätzlich zu berücksichtigen. Zu Gunsten des Darlehensnehmers ist hierbei nach ganz überwiegender Auffassung zu unterstellen, dass der Darlehensnehmer sämtliche ihm eingeräumten Sondertilgungsrechte frühestmöglich, d.h. rechtzeitig im Rahmen der vertraglichen Vereinbarung, ausgeübt hätte (vgl. Staudinger/Mülbert, a. a. O., § 490 Rz. 92; MünchKomm-Berger, a. a. O., § 490 Rz. 35, § 488 Rz. 70; Wimmer, BKR 2002, 479; LG Darmstadt, Urt. v. 23.8.2006 – 26 S 43/06, BeckRS 2014, 00471; a.A.: OLG Frankfurt/M. WM 2001, 565, dazu EWiR 2001, 657 (Fraune), das auf die konkrete finanzielle Situation des Darlehensnehmers abstellt). Falls – wie im vorliegenden Fall – dem Darlehensgeber ein künftiges Sondertilgungsrecht während eines ganzen Kalenderjahres zusteht, ohne dass ein konkreter Termin vereinbart ist, endet die rechtlich geschützte Zinserwartung der Beklagten somit bereits zu der theoretisch ersten Möglichkeit der Ausübung am 1. 1. des jeweiligen Jahres (vgl. Staudinger/Mülbert, a. a. O., § 490 Rz. 92 m.w. N.). Dass der Kunde vorliegend nicht von seinem jährlichen Sondertilgungsrecht Gebrauch gemacht hat, wurde nicht vorgetragen.

Die streitgegenständliche Klausel weicht von den Grundsätzen zur Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung im Fall einer vorzeitigen Darlehensrückzahlung zu Gunsten des Darlehensgebers bzw. zu Lasten des Darlehensnehmers ab. Dadurch, dass nach der Klausel kategorisch zukünftige Sondertilgungsrechte bei der Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung nicht berücksichtigt werden, erlangt der Darlehensgeber im Wege der Vorfälligkeitsentschädigung mehr, als ihm nach seiner vertraglichen Zinserwartung zusteht. Bei ungestörtem Vertragsverlauf unter Ausübung des gewährten jährlichen Sondertilgungsrechts i. H. v. 4.220 € hätte die Beklagte aus dem Sondertilgungsbetrag keinen Zinsgewinn erzielt, den sie sich jedoch bei Nichtberücksichtigung der Sondertilgungsrechte bei der Vorfälligkeitsentschädigung verschafft. Die Klausel verstößt mithin gegen das schadensersatzrechtlich anerkannte sog. Bereicherungsverbot, wonach der Anspruchsberechtigte keinen (finanziellen) Vorteil ziehen darf, d.h. er nicht mehr erlangen darf, als er bei ordnungsgemäßer Vertragsbeendigung bekommen hätte; er darf nicht mehr als den Betrag verlangen, der seinem Interesse an der weiteren Durchführung des Darlehensvertrags entsprach (vgl. BGHZ 136, 161 = ZIP 1997, 1641; BGH ZIP 1997, 1646 = NJW 1997, 2878).

5. Da die streitgegenständliche Klausel somit gem. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB mit wesentlichen Grundgedanken des Schadensersatzrechts unvereinbar ist, ist im Zweifel auch eine unangemessene Benachteiligung i. S. v. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB anzunehmen.

Gründe, die die Klausel gleichwohl als eine nicht unangemessene Benachteiligung erscheinen lassen, sind nicht erkennbar. Die Unangemessenheit der Klausel entfällt insbesondere nicht deshalb, weil die Gewährung von Sondertilgungsrechten grundsätzlich vorteilhaft für den Darlehensnehmer ist. Die streitgegenständliche Klausel regelt nämlich nicht die Gewährung von Sondertilgungsrechten oder die Bedingungen der Ausübung solcher Rechte, sie bezieht sich vielmehr auf die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung im Fall einer vorzeitigen vollständigen Darlehensrückzahlung.

Die Klausel kann – entgegen den Ausführungen des LG – auch isoliert von der Gewährung der Sondertilgungsrechte betrachtet werden. Dies ergibt sich schon daraus, dass Sondertilgungsrechte auch gewährt werden (können), ohne eine entsprechende Klausel in den AGB zu verwenden. Die Gewährung von Sondertilgungsrechten ist daher nicht zwingend mit der Verwendung einer entsprechenden Klausel verbunden. Insofern kann dahingestellt bleiben, ob ein Darlehensgeber, der dem Darlehensnehmer vertraglich Sondertilgungsrechte einräumt, den Zinsverlust im Falle einer Sondertilgung bereits im Rahmen der Kalkulation bei der Berechnung der Zinshöhe und der Refinanzierung des Darlehens berücksichtigt hat, womit der Vorteil, der dem Darlehensnehmer durch die Gewährung von Sondertilgungsrechten entsteht, bereits abgegolten wäre, was die Beklagte in der Berufungsinstanz ausdrücklich bestritten hat.

6. Ob die streitgegenständliche Klausel überdies gegen das Transparenzverbot aus § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB verstößt, wonach eine unangemessene Benachteiligung sich auch daraus ergeben kann, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist, ist zweifelhaft, kann letztendlich jedoch offenbleiben.

Der Verwender ist gehalten, Rechte und Pflichten seines Vertragspartners in den AGB möglichst klar, einfach und präzise darzustellen. Treu und Glauben gebieten es, dass eine Klausel wirtschaftliche Nachteile und Belastungen so weit erkennen lässt, wie dies nach den Umständen gefordert werden kann (vgl. Palandt/Grüneberg, a. a. O., § 307 Rz. 21). Maßstab für die Beurteilung ist dabei nicht der flüchtige Betrachter, sondern der aufmerksame und sorgfältige Teilnehmer am Wirtschaftsverkehr (vgl. Palandt/Grüneberg, a. a. O., § 307 Rz. 23).

Fraglich ist, ob ein solcher aufmerksamer und sorgfältiger Teilnehmer am Wirtschaftsverkehr vorliegend der streitgegenständlichen Klausel, die sich explizit auf die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung im Falle einer vorzeitigen Darlehensvollrückzahlung bezieht, entnehmen kann, dass die Nichtberücksichtigung zukünftiger Sondertilgungsrechte bei der Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung für ihn wirtschaftlich nachteilig ist, weil sie zu einer höheren Vorfälligkeitsentschädigung führt als ohne eine solche Regelung.

7. Eine Wiederholungsgefahr ist unzweifelhaft gegeben. Die Verwendung einer AGB begründet eine tatsächliche Vermutung für das Vorliegen einer Wiederholungsgefahr (vgl. BGH ZIP 2000, 1934 = NJW-RR 2001, 485 m.w. N.). Ein Wegfall der Wiederholungsgefahr ist nur ausnahmsweise anzunehmen, wenn Umstände vorliegen, derentwegen nach allgemeiner Erfahrung mit einer Wiederverwendung nicht gerechnet werden kann (vgl. BGH ZIP 2000, 1934 = NJW-RR 2001, 485 m.w. N.). Demgegenüber spricht es für das Fortbestehen der Wiederholungsgefahr, wenn der Verwender – wie im vorliegenden Fall – noch im Rechtsstreit die Zulässigkeit der von ihm benutzten AGB verteidigt und nicht bereit ist, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben (vgl. BGH ZIP 2000, 1934 = NJW-RR 2001, 485 m.w. N.). (nicht rechtskräftig; 06.12.2014)