Unwirksame Klausel in AGBs eines Kreditinstituts über Sondertilgungsrechte

BGH, Urteil v. 19.01.2016, XI ZR 388/14
Leitsatz:
Die von einem Kreditinstitut bei der Vergabe grundpfandrechtlich gesicherter Darlehen an Verbraucher, bei denen den Darlehensnehmern Sondertilgungsrechte innerhalb des Zinsfestschreibungszeitraums eingeräumt werden, verwendete vorformulierte Vertragsbestimmung

"Zukünftige Sondertilgungsrechte werden im Rahmen vorzeitiger Darlehensvollrückzahlung bei der Berechnung von Vorfälligkeitszinsen nicht berücksichtigt."

ist gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam. (amtlicher Leitsatz)

Entscheidung:
Der Kläger ist ein Verbraucherschutzverein, der eine Sparkasse verklagt. Diese vergibt Immobiliardarlehen an Verbraucher, in denen den Darlehensnehmern Sondertilgungsrechte innerhalb der Zinsfestschreibung eingeräumt werden. U.a. wird die folgende Klausel verwendet:

"Zukünftige Sondertilgungsrechte werden im Rahmen vorzeitiger Darlehensvollrückzahlung bei der Berechnung von Vorfälligkeitszinsen nicht berücksichtigt."

Der Kläger ist der Ansicht, diese Klausel sei unwirksam, weil sie einer Kontrolle des Inhalts Allgemeiner Geschäftsbedingungen nach § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB nicht standhalte und überdies gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB verstoße. Mit der Unterlassungsklage nimmt er die Sparkasse darauf in Anspruch, es zu unterlassen, beim Abschluss von Darlehensverträgen mit Verbrauchern die beanstandete Klausel zu verwenden

Der Bundesgerichtshof hat die Entscheidung der Vorinstanz zugunsten des Verbraucherschutzvereins bestätigt. Die Sparkasse hat die weitere Verwendung der Klausel zu unterlassen.

Damit die Klausel überhaupt der Inhaltskontrolle unterliegen kann, muss sie von der Sparkasse ihren Kunden „gestellt“ sein. Davon geht der Bundesgerichtshof aus, unabhängig davon ob die eingeräumten Sondertilgungsrechte zuvor ausgehandelt wurden. Die Sparkesse stellt die Regelung der Klausel ihren Kunden nicht ernsthaft zur Disposition.

Nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB sind solche Klauseln kontrollfähig, durch die von Rechtsvorschriften abgewichen wird. Dies tut die Klausel, weil sie die Berechnung einer Vorfälligkeitsentschädigung nach § 490 Abs. 2 Satz 3 BGB, die durch außerordentlicher Kündigung des Darlehensvertrages durch den Kunden (§ 490 Abs. 2 Satz 1 BGB) zu zahlen ist, modifiziert. Es gilt der Grundsatz der scheinbar "kundenfeindlichsten" Auslegung, da dieser oft erst die Inhaltskontrolle zugunsten der Kunden möglich macht. Vorliegend bedeutet das, dass nach der Klausel bei der Berechnung einer Vorfälligkeitsentschädigung künftige Sondertilgungsrechte von der Sparkasse nicht berücksichtigt werden.

Der Bundesgerichthof weist darauf hin, dass davon abweichend bei Abschluss eines Aufhebungsvertrages künftige Sondertilgungsrechte nicht beachtet werden müssen; ein Vorfälligkeitsentgelt darf im Falle einvernehmlicher Vertragsaufhebung lediglich nicht sittenwidrig sein.

Die vorliegende Klausel weicht von der gesetzlichen Regel des § 490 Abs. 2 Satz 3 BGB ab, nach der der Zinsschaden lediglich für den Zeitraum rechtlich geschützter Zinserwartung ersatzfähig ist. Von der Sparkasse zu beachte sind nämlich die erstmalige Kündigungsmöglichkeit des Kunden nach zehn Jahren (§ 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB) und die vereinbarten Sondertilgungsrechte. Deren Nichtberücksichtigung würde nach Ansicht des Bundesgerichtshofs zur Berücksichtigung einer “vom Zufall abhängige Gewinnposition“ führen; diese sei aber nicht von § 252 BGB geschützt.

Leitbild der Vorfälligkeitsentschädigung ist es, die Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung so zu bemessen, dass der Darlehensgeber durch die Kreditablösung im Ergebnis weder finanziell benachteiligt noch begünstigt wird. Davon weicht die beanstandete Klausel ab. Die Abweichung ist nicht sachlich gerechtfertigt, noch ergibt die Gesamtwürdigung aller Umstände, dass die Klausel die Kunden nicht unangemessen benachteiligt.