Nutzungsersatz für Tilgungs- und Zinsleistungen nach Widerruf eines vor dem 13.06.2014 abgeschlossenen Verbraucherdarlehensvertrages

BGH, Beschluss v. 22.09.2015, XI ZR 116/15
Leitsatz:
Nach Widerruf eines vor dem 13.06.2014 abgeschlossenen Darlehensvertrages schuldet der Darlehensgeber dem Darlehensnehmer gem. § 346 Abs. 1 Halbs. 1 BGB die Herausgabe bereits erbrachter Zins- und Tilgungsleistungen und gem. § 346 Abs. 1 Halbs. 2 BGB die Herausgabe von Nutzungsersatz wegen der (widerleglich) vermuteten Nutzung der bis zum Wirksamwerden des Widerrufs erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen. (redaktioneller Leitsatz)

Gründe:
Der Antrag der Klägerin auf Gewährung von PKH ist abzulehnen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet.

I. Soweit die Klägerin das Berufungsurteil mit der Revision angreifen will, ist ihr PKH nicht zu gewähren, weil das Berufungsgericht die Revision nur zu Gunsten der Beklagten, nicht auch zu Gunsten der Klägerin zugelassen hat. Das ergibt sich zwar nicht aus dem Tenor des Berufungsurteils, jedoch durch Auslegung der Urteilsgründe. …

II. Gleichfalls ohne Erfolgsaussichten ist die Rechtsverfolgung der Klägerin, soweit sie die Nichtzulassung der Revision mit der Beschwerde bekämpft.

Unbeschadet der Frage, ob die Möglichkeit zu bejahen wäre, eine nach § 26 Nr. 8 EGZPO zulässige Nichtzulassungsbeschwerde zu erheben (vgl. BGH, Beschl. v. 29. 9. 2009 – VII ZR 187/08, BGHZ 179, 315, Rz. 11 a. E.), hat die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung und erfordern die Fortbildung des Rechts sowie die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO).

Insbesondere sind die Rechtsfolgen höchstrichterlich geklärt, die nach Widerruf der auf Abschluss eines Darlehensvertrags gerichteten Willenserklärung in Altfällen eintreten, in denen § 357a BGB noch keine Anwendung findet. Der Senatsrechtsprechung (Senatsurt. v. 10. 3. 2009 – XI ZR 33/08, BGHZ 180, 123 = ZIP 2009, 952, Rz. 19 f., dazu EWiR 2009, 371 (Madaus)) lässt sich ohne Weiteres entnehmen, dass der Darlehensnehmer dem Darlehensgeber gem. § 346 Abs. 1 Halbs. 1 BGB Herausgabe der gesamten Darlehensvaluta ohne Rücksicht auf eine (Teil-)Tilgung und gem. § 346 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 BGB Herausgabe von Wertersatz für Gebrauchsvorteile am jeweils tatsächlich noch überlassenen Teil der Darlehensvaluta schuldet. Der Darlehensgeber schuldet dem Darlehensnehmer gem. § 346 Abs. 1 Halbs. 1 BGB die Herausgabe bereits erbrachter Zins- und Tilgungsleistungen und gem. § 346 Abs. 1 Halbs. 2 BGB die Herausgabe von Nutzungsersatz wegen der (widerleglich) vermuteten Nutzung der bis zum Wirksamwerden des Widerrufs erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen (vgl. Senat BGHZ 180, 123 = ZIP 2009, 952, Rz. 29). Soweit Darlehensgeber oder Darlehensnehmer gegenüber den gem. § 348 Satz 1 BGB jeweils Zug um Zug zu erfüllenden Leistungen die Aufrechnung erklären, hat dies nicht zur Folge, dass der Anspruch des Darlehensnehmers gegen den Darlehensgeber gem. § 346 Abs. 1 Halbs. 2 BGB auf Herausgabe von Nutzungsersatz als nicht entstanden zu behandeln wäre.

Dass diese Grundsätze in jüngerer Zeit von einzelnen Stimmen in der Literatur mit nicht überzeugenden Argumenten in Frage gestellt werden (vgl. Edelmann/Hölldampf, KSzW 2015, 148, 152 f.; Hölldampf/Suchowerskyj, WM 2015, 999, 1001 ff.; Müller/Fuchs, WM 2015, 1094, 1095 f., 1098 f.; Piekenbrock/Rodi, WM 2015, 1085, 1086 f.; Schnauder, NJW 2015, 2689, 2691 f.), verleiht der Rechtssache keine Grundsatzbedeutung (vgl. BGH, Beschl. v. 8. 2. 2010 – II ZR 54/09, ZIP 2010, 985 = WM 2010, 936, Rz. 3, und BGH, Beschl. v. 8. 2. 2010 – II ZR 156/09, ZIP 2010, 1080, Rz. 3). Anlass zur Rechtsfortbildung besteht ebenfalls nicht. Schließlich verlangt die Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung ein Eingreifen des Revisionsgerichts nicht. Das Berufungsgericht hat sich bei der Ermittlung der Rechtsfolgen des Widerrufs ersichtlich an den höchstrichterlichen Vorgaben orientieren wollen. Soweit es einen Anspruch der Beklagten nach § 346 Abs. 1 Halbs. 2 BGB verneint hat, liegt dem lediglich ein einfacher Rechtsanwendungsfehler im Einzelfall zugrunde, der die Zulassung der Revision nicht rechtfertigt.