Zeitlich befristete Bürgschaft mit sog. Verrechnungsklausel

OLG Bamberg, Beschl. v. 12.05.2015, 4 U 205/14
Leitsätze:
1. Die im Rahmen einer sog. qualifizierten Zeitbürgschaft bestimmte Ausschlussfrist für die Anzeige der Inanspruchnahme der Bürgschaft ist auch dann einzuhalten, wenn der Bürgschaftsgläubiger verpflichtet ist, vor der Inanspruchnahme der Bürgschaft seine besicherten Ansprüche mit den vom Hauptschuldner gestellten „Barkautionen zu verrechnen“.

2. Wenn der Endtermin für die haftungsauslösende Gläubigeranzeige versäumt wurde, ist auch das (rückwirkende) Wiederaufleben der anfechtbar getilgten Verbindlichkeiten des Hauptschuldners nach erfolgreicher Insolvenzanfechtung (§ 144 Abs. 1 InsO) nicht geeignet, die (infolge des Fristablaufs erloschene) Bürgenverpflichtung erneut entstehen zu lassen.

3. Zu der bei einer solchen Zeitbürgschaft bestehenden Möglichkeit für den Bürgschaftsgläubiger, dem Risiko einer erfolgreichen Insolvenzanfechtung (mit den Rechtswirkungen des § 144 Abs. 1 InsO) durch eine „konditionierte“ Inanspruchnahme der Bürgschaft innerhalb der hierfür bestimmten Ausschlussfrist vorzubeugen.

(amtliche Leitsätze)

Gründe:
I. Die Klägerin nimmt die beklagte Bank aus einer selbstschuldnerischen Höchstbetragsbürgschaft über 25.000,- € (zzgl. Zinsen) in Anspruch, welche die Beklagte zur Absicherung der Forderungen gegen eine Kundin der Klägerin (fortan nur: Hauptschuldnerin oder Schuldnerin) übernommen hatte.

Die ursprüngliche Bürgschaftserklärung war mit Schreiben der Beklagten vom 14.2.2011 „bis zum 15.4.2011 befristet“ verlängert worden. In der dortigen Bestätigung heißt es u.a.:

Voraussetzung für diese befristete Bürgschaftsverlängerung ist, dass

a) wir nur für Ansprüche haften, die bis zum 15.4.2011 angefallen sind. Die Inanspruchnahme aus der Bürgschaft hat spätestens bis zum 30.5.2011 zu erfolgen.

b) Sie vor Inanspruchnahme unserer Bank aus der Bürgschaft ihre Ansprüche mit den von der ... (= Schuldnerin) gestellten Barkautionen, die im Falle einer Insolvenz nicht angefochten werden, verrechnen. ...

Die verlängerte Bürgschaft war von der Klägerin zunächst mit Schreiben vom 18.4.2011 in Höhe eines Teilbetrags von 14.669,32 € in Anspruch genommen worden, worauf die Beklagte diese Forderung sofort ausgeglichen hatte. Bereits zuvor, nämlich schon am 24.2.2011 war die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Hauptschuldnerin beantragt worden. Mit vorgerichtlichem Schreiben vom 1.7.2014 hat die Klägerin auch die Auskehrung der restlichen Bürgschaftssumme (zzgl. ausgerechneter Verzugszinsen aus der besicherten Forderung) verlangt. Dieser zweiten Inanspruchnahme der Bürgschaft liegt folgende Entwicklung zugrunde:

Nachdem am 1.6.2011 über das Vermögen der Hauptschuldnerin das Insolvenzverfahren eröffnet worden war, hatte der Insolvenzverwalter von der Klägerseite im Wege der Anfechtung mit Schreiben vom 19.2.2014 die Rückerstattung von Zahlungen in der Gesamthöhe von rund 168.000,- € verlangt, die der Klägerin zwischen November 2010 und Anfang April 2011 als mittelbare Zuwendungen von einem Privatkonto des Geschäftsführers der Schuldnerin zugeflossen waren. Hierbei hatte sich die Verwalterseite auf den Anfechtungstatbestand der inkongruenten Deckung (§ 131 Abs. 1 Nr. 2 InsO) berufen. Nach längeren Verhandlungen und entsprechend dem mit Schreiben ihrer Anwälte vom 18.6.2014 bestätigten Vergleich mit der Verwalterseite zahlte die Klägerin (die zugleich Forderungen in dieser Höhe zur Insolvenztabelle anmelden ließ), insgesamt 75.000,- € an die Insolvenzmasse zurück.

Da die Beklagte im Hinblick auf die Befristung ihrer Bürgschaftsverpflichtung jede weitere Zahlung ablehnt, verlangt die Klägerin nunmehr Zahlung der restlichen Bürgschaftssumme zzgl. ausgerechneter Zinsen, zusammengenommen rund 11.900 € samt Verzugszinsen, aus dem noch offenen Bürgschaftsbetrag.

Das LG hat die Klage abgewiesen, weil die Inanspruchnahme der restlichen Bürgschaftssumme erst nach Ablauf der dafür bestimmten Ausschlussfrist und somit verspätet erfolgt sei. Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, die ihr Zahlungsbegehren unverändert weiterverfolgt. Dem Hinweisbeschluss des Senats vom 16.3.2015 ist die Klägerseite mit Stellungnahme vom 23.4.2015 (künftig nur: Stellungnahme oder Gegenerklärung) entgegengetreten.

II. Nach der einstimmigen Auffassung des Senats ist die Berufung offensichtlich unbegründet. Denn zu Recht ist das LG zu der Auffassung gelangt, dass wegen der für die Geltendmachung der Bürgschaftsverpflichtung bestimmten Ausschlussfrist die klagegegenständliche Inanspruchnahme der noch offenen Bürgschaftssumme verspätet erfolgt ist. Dieser Einordnung steht insbesondere auch nicht die von der Berufung instrumentierte Verrechnungsabrede bezüglich der von der Schuldnerin „gestellten Barkautionen“ entgegen.

Die Stellungnahme zu den Senatshinweisen zeigt keine Gesichtspunkte bzw. Umstände auf, die es gebieten könnten, einer Verhandlung über die Berufungsangriffe näherzutreten. Der Senat fasst daher unter Berücksichtigung der Stellungnahme seine Würdigung des Sachverhalts und die darauf aufbauende Einordnung abschließend wie folgt zusammen:

A. Zulässigkeitsbedenken

Wie in den Senatshinweisen nur angedeutet wird, nunmehr aber im Vorbringen der Stellungnahme klar zum Ausdruck kommt, hat sich die Klägerseite noch immer nicht darauf festgelegt, wegen welcher (infolge der Rechtswirkungen des § 144 Abs. 1 InsO wiederaufgelebten) Verbindlichkeit(en) der Schuldnerseite (Betrag, Zeitpunkt und Umstände des Vertragsschlusses, vertraglicher Gegenstand der klägerischen Lieferungen bzw. sonstigen Leistungen usw.) die vorliegende Bürgschaft in Anspruch genommen wird. Die Klageforderung ist also nach wie vor nicht hinreichend individualisiert. Der Senat geht allerdings davon aus, dass die Klägerin diese Individualisierungslücke zu beheben in der Lage gewesen wäre.

B. Sachprüfung

1. Vorliegen einer „qualifizierten“ Zeitbürgschaft: Wie das LG zutreffend annimmt, handelt es sich bei der Bürgschaftserklärung vom 14.2.2011 um eine bis zum 30.5.2011 befristete Zeitbürgschaft. Wegen des für die Inanspruchnahme abschließend bestimmten Endtermins unterscheidet sich die dadurch begründete Haftung der Bank von der in § 777 BGB vorgesehenen Form der Zeitbürgschaft nur dadurch, dass die Bürgin bereits dann frei wird, wenn sie nicht innerhalb der vom LG zutreffend so bezeichneten Ausschlussfrist in Anspruch genommen wird (§§ 163, 158 Abs. 2 BGB). Eine solche definitive Befristung der Bürgenhaftung im Sinne einer „qualifizierten“ Zeitbürgschaft ist in der Rechtsprechung seit jeher anerkannt (vgl. nur BGHZ 91, 349 = ZIP 1984, 937 = juris Rz. 17; BGHZ 139, 325 = ZIP 1998, 1907 = juris Rz. 17, dazu EWiR 1999, 17 (Nielsen); BGH WM 1977, 290; BGH ZIP 1981, 1310 = WM 1981, 1302).

Um sich die Rechte aus der Bürgschaft zu erhalten, hätte die Klägerin daher die Inanspruchnahme der restlichen Bürgschaftssumme ebenfalls bis zum 30.5.2011 anzeigen müssen.

2. Rechtswirkungen des § 144 Abs. 1 InsO: Entgegen der Ansicht der Berufung ergibt sich ein anderes Verständnis der vorliegenden Vereinbarung eines definitiven Endtermins für die haftungsauslösende Gläubigeranzeige auch nicht aus den Rechtswirkungen des § 144 Abs. 1 InsO.

Nach dieser Vorschrift lebt die Forderung des Insolvenzgläubigers wieder auf, soweit der Empfänger einer anfechtbaren Leistung das Erlangte wieder an die Insolvenzmasse zurückgewährt hat. Zusammen mit der anfechtbar getilgten Forderung treten – ebenfalls rückwirkend – auch die von dritter Seite gestellten akzessorischen Sicherheiten (wie etwa hier eine Bürgschaft) wieder in Kraft (vgl. etwa MünchKomm-Kirchhof, InsO, 3. Aufl., § 144 Rz. 10, 10c; Ganter, WM 2011, 245, 247, 248). Diese denkbaren Rechtsfolgen, ihr Eintreten einmal unterstellt, stehen jedoch einem Erlöschen der Bürgschaftsverpflichtung der Beklagten nicht entgegen.

a) Ob die gesicherten Forderungen – und in welchem genauen Umfang – in anfechtbarer Weise erfüllt worden waren, bedürfte ohnehin noch näherer Überprüfung (vgl. nur BGH, Beschl. v. 15.4.2010 – IX ZR 86/09). Der bisherige Sachvortrag der Klägerseite reicht jedenfalls nicht aus, wenn auch die Beklagte diese Darlegungslücke nicht beanstandet hat. Indessen bedarf die Prämisse des klägerischen Gegeneinwands keiner abschließenden Erörterung. Denn selbst dann, wenn die Anfechtung der Verwalterseite (jedenfalls) in einem die Klageforderung übersteigenden Umfang begründet gewesen war, kann die Klägerin daraus für sich nichts herleiten.

b) Das (rückwirkende) Wiederentstehen der noch offenen Hauptverbindlichkeit ist nämlich nur geeignet, die Tilgungswirkung der Erfüllung (§ 362 Abs. 1 BGB) zu beseitigen, welche ihrerseits das Erlöschen der akzessorischen Haftung aus der Bürgschaft nach sich gezogen hatte. Demzufolge bezieht sich das allein in der Akzessorietät des Sicherungsrechts begründete Wiederaufleben der Bürgenverpflichtung (KPB/Jacoby, InsO, § 144 Rz. 14) ausschließlich auf den gegenständlichen Umfang der Bürgschaft: Diese Rechtsfolge kann sich also nur dahin ausgewirkt haben, dass die wiederentstandene Hauptforderung nach wie vor dem gegenständlichen Anwendungsbereich der vorliegenden Bürgschaft unterfällt, wenn und soweit auch die sonstigen Voraussetzungen einer Bürgenhaftung im Zeitpunkt des Wegfalls des Erlöschenstatbestands des § 362 Abs. 1 BGB noch gegeben sind. Hierbei geht es um das zusätzliche und selbstständige Erfordernis, dass die Anzeige der Inanspruchnahme der Bürgschaft innerhalb der festgelegten Ausschlussfrist erfolgt war.

Die in § 144 Abs. 1 InsO statuierte Rückwirkung reicht auch aus einem weiteren Rechtsgrund nicht aus, um die hier maßgebende Zeitschranke und den daraus folgenden Erlöschensgrund zu überwinden: Ebenso wie im Zusammenhang mit einer erst nach Klagezustellung erfolgten Aufrechnung nicht schon das Bestehen einer Aufrechnungslage (als Bezugspunkt der Rückwirkung einer wirksam erklärten Aufrechnung), sondern erst die Aufrechnungserklärung selbst das erledigende Ereignis darstellt (BGHZ 155, 392), hat es in der Frage eines tatsächlichen Wiederauflebens von Sicherungsrechten nicht auf die Verwirklichung eines Anfechtungstatbestands, sondern ausschlaggebend auf eine die jeweilige anfechtbare Leistung bezogene Ausübung der Anfechtungsbefugnis des Insolvenzverwalters und die erfolgreiche Durchsetzung des Rückgewähranspruchs (§ 143 InsO) anzukommen (vgl. MünchKomm-Kirchhof, a. a. O., § 129 Rz. 186, 194). Darauf musste (und konnte) sich auch die Klägerseite von vornherein einstellen.

3. Auch aus der Verrechnungsklausel unter lit. b der Bürgschaftserklärung vom 14.2.2011 ergibt sich keine für die Klägerseite günstigere Einordnung.

a) Allerdings kann die darin ausgesprochene Vorgabe einer vorrangigen „Verrechnung mit Barkautionen“ das Verständnis nahelegen, dass die Klägerin gehalten sein sollte, die Möglichkeiten für eine Tilgung der Hauptforderung durch die Schuldnerin selbst dann auszuschöpfen, wenn damit das naheliegende Risiko einer erfolgreichen Insolvenzanfechtung verbunden sein würde. Daraus erschließt sich aber – auch nach dem maßgebenden objektiven Verständnishorizont der Klägerin (§§ 133, 157 BGB) – noch keineswegs die Bereitschaft der Bank, die in den Vorgaben unter lit. a festgelegte zeitliche Begrenzung ihrer Haftung zurückzunehmen oder zu modifizieren. Eine dahin gehende Uminterpretation der klar geregelten Ausschlussfristen wäre schon mit dem klaren Wortlaut und dem damit übereinstimmenden Aufbau des Textes nicht zu vereinbaren. Hiernach verstehen sich die beiden abgestuften Zeitschranken auf der einen und die Verrechnungsklausel auf der anderen Seite jeweils als selbstständige und kumulativ einzuhaltende Bedingungen ohne ansatzweise erkennbaren Anknüpfungspunkt für einen wechselbezüglichen Regelungszusammenhang.

Demgegenüber ist der in der Stellungnahme herausgestellte Gesichtspunkt, dass bis zur modifizierten Verlängerung der Bürgschaftsverpflichtung eine Höchstbetragsbürgschaft „ohne jede Einschränkung“ vorgelegen hatte, ohne argumentativen Gehalt. Da die Klägerin die zusätzlichen Bedingungen einer Bürgschaftsverlängerung akzeptiert hatte, ist sie auch an die darin statuierte zeitliche Begrenzung der Bürgschaftsverpflichtung gebunden. Über den Sinn und Zweck dieser klaren Regelung konnte auf der Klägerseite kein Zweifel bestehen.

b) Darüber hinaus lässt sich eine die Zeitschranke eines Endtermins für die Gläubigeranzeige aufweichende Interpretation offensichtlich auch nicht mit dem klar zu Tage liegenden Interesse der Bank vereinbaren, das Risiko einer Inanspruchnahme aus der verlängerten Bürgschaft definitiv auf einen überschaubaren Zeitraum von höchstens noch drei weiteren Monaten zu begrenzen. Dass in der Verrechnungsabrede die Möglichkeit einer Insolvenzanfechtung ausdrücklich erwähnt wird, weist auf die übereinstimmende Einschätzung beider Parteien hin, dass sich die Schuldnerin längst „in der Krise“ befand bzw. eine solche Zuspitzung unmittelbar bevorstand. In dieser Situation – übrigens nur zehn Tage vor dem Insolvenzantrag – bedeutete die Verlängerung der Bürgschaft ein ungewöhnliches Entgegenkommen der Bankseite. Dies gilt erst recht, wenn (was naheliegt) die Klägerin die Bank im Vorfeld der Verlängerungserklärung darüber unterrichtet hatte, auf welche Weise schon seit Monaten die von ihr vereinnahmten Zahlungen der Schuldnerin über ein Privatkonto des Geschäftsführers der Kundin abgewickelt wurden. Offensichtlich sind – wozu sich der Vortrag beider Parteien wiederum ausschweigt – mit den in der Verrechnungsklausel angesprochenen „Barkautionen“ eben diese verdeckten Zahlungsströme gemeint.

Mit diesem Verständnis der Verrechnungsklausel setzt sich die Gegenerklärung – bezeichnenderweise – nicht näher auseinander. Infolgedessen hängt auch ihr nachgeschobenes Vorbringen in der Luft, die Klägerin hätte von der Krise der Schuldnerin „keine definitive Kenntnis“ gehabt. Abgesehen davon können die Einzelheiten des tatsächlichen Kenntnisstands der Klägerseite dahinstehen, weil es hierauf für die Bewertung der beiderseitigen Interessenlage anhand der dargelegten Umstände im Ergebnis nicht ankommt.

c) Schließlich und vor allem kann die Klägerseite mit ihrer die klare zeitliche Begrenzung der Bürgschaftsverpflichtung aushebelnden Interpretation auch deshalb nicht gehört werden, weil sie an einer fristwahrenden Inanspruchnahme der Bürgschaft auch auf der Grundlage der vorliegenden Einordnung keineswegs gehindert gewesen wäre.

Das Verrechnungsgebot erschöpft sich allein in der Intention, dass die Klägerin eine Befriedigung – vorrangig – auch über solche Leistungsmodalitäten anstreben sollte, die das (manifeste) Risiko einer nachträglichen Insolvenzanfechtung in sich bargen. Aufgrund dieser Vorgabe war die Klägerin jedoch keineswegs daran gehindert, zur Wahrung ihrer Rechte aus der Bürgschaft zugleich (Hervorhebung des Gerichts) Vorkehrungen für den absehbaren Fall zu treffen, dass die anfechtbar getilgten Forderungen infolge einer erfolgreichen Insolvenzanfechtung – rückwirkend – wiederauflebten. Weder der Wortlaut der Verrechnungsklausel noch ihr Regelungszweck sprechen dafür, dass diese Möglichkeit einer vorsorglichen, also auf die Rechtswirkungen des § 144 InsO bezogenen Inanspruchnahme der Bürgschaft ausgeschlossen sein sollte. Ein solcher Ausschluss wäre bereits mit der Sicherungsfunktion einer Bürgschaft unvereinbar; er würde zudem auf ein offensichtlich auch dem Rechtsgedanken des § 162 BGB widersprechendes Ergebnis hinauslaufen: Der Klägerin wäre nämlich das handgreifliche Risiko einer erfolgreichen Insolvenzanfechtung zugemutet worden, ohne dass ihr im Gegenzug das Recht zugestanden hätte, das liquide Vorliegen eines Sicherungsfalls – vorsorglich – zur Grundlage einer fristwahrenden, allerdings im Hinblick auf das noch ungewisse Schicksal der anfechtbar getilgten Ansprüche zugleich „konditionierten“ Inanspruchnahme der Bürgschaft zu machen.

Die Klägerin hätte somit ohne Weiteres die Möglichkeit gehabt, jedenfalls hinsichtlich der nach dem Insolvenzantrag vom 24.2.2011 erfolgten Überweisungen – und insbesondere in Bezug auf die letzten drei vereinnahmten Zahlungen über insgesamt rund 15.600 € (zwischen dem 25. 3. und 7.4.2011) – der Beklagten die beabsichtigte Inanspruchnahme der Bürgschaft vor dem 30.5.2011 anzuzeigen sowie diese Anzeige mit den absehbaren Rechtsfolgen einer diesbezüglichen Insolvenzanfechtung zu begründen. Zugleich hätte eine solche Anzeige des Bürgschaftsfalls im Sinne einer „konditionierten“ Inanspruchnahme ausgestaltet, also beispielsweise mit einer auf das ungewisse Wiederaufleben der anfechtbar getilgten Verbindlichkeiten nach § 144 Abs. 1 InsO bezogenen (aufschiebenden bzw. auflösenden) Bedingung verknüpft oder mit einer entsprechenden Stundung verbunden werden können.

d) Nach alledem lässt die beanstandete Verrechnungsklausel keinen Regelungsgehalt erkennen, wonach der Klägerin ein mit der Sicherungsfunktion einer Bürgschaft unvereinbares und daher unzumutbares Risiko überbürdet wurde. Erst recht nicht wird darin ein bedenkliches Näheverhältnis zum Anwendungsbereich des § 138 BGB oder eines Verbotsgesetzes i. S. d. § 134 BGB bzw. eines Schutzgesetzes i. S. d. § 823 Abs. 2 BGB erkennbar (vgl. dazu MünchKomm-Kirchhof, a. a. O., vor §§ 129 ff. Rz. 45, 50 ff. und 87), wobei dahinstehen kann, ob und in welchem Umfang sich die Klägerseite im vorliegenden Zusammenhang auf den Schutzzweck der Vorschriften über die Insolvenzanfechtung überhaupt berufen könnte.